Bei frühlingshaftem Wetter haben rund 220.000 Zuschauer in Stuttgart den traditionellen Faschingsumzug durch die Innenstadt gefeiert.  

Stuttgart - Schon eine Stunde vor Beginn des Faschingsumzugs warten vor allem die Kinder in Clowns-, Prinzessinnen- und Hexenkostümen ungeduldig auf die ersten bunt geschmückten Wagen - vor allem aber auf den ersten Bonbonregen. Um 14 Uhr ist es dann so weit: der Zug mit 53 Gruppen setzt sich in Bewegung. Die rund 220.000 Zuschauer freuen sich über laute Trommel- und Blasmusik, kreative Kostüme und jede Menge Süßigkeiten. 

 

Wagen Wir müssen warten. Während die ersten Gruppen den Schlossplatz überqueren, hat sich der Wagen der Karnevalsgesellschaft Grün-Weiss noch keinen Zentimeter bewegt. Hinter uns steht nur noch die Nummer 53, dann folgen schon die Kehrfahrzeuge der Stadtreinigung. Die Stimmung auf dem 37 Jahre alten ehemaligen Linienbus ist trotzdem gut. Schließlich ist alles da, was Narren so brauchen: Süßigkeiten, Sekt, laute Musik - und sogar eine Toilette. Jahrelang hat Heiko Fritz an seinem Bus gebastelt, den er vermietet und für private Urlaubsfahrten nutzt. 

Publikum Mit großem Beifall und "Narri, Narro"-Rufen begrüßen die Zuschauer das diesjährige Prinzenpaar der Karnevalgesellschaft Möbelwagen an der Strecke. In königlicher Manier winken der Stadtprinz Julius I. und seine Prinzessin Verena I. aus einem Cabrio ihrer Faschingsgefolgschaft zu. Doch die Kinder verlieren schnell das Interesse am Prinzenpaar. Zu spannend ist der Wagen der Gesellschaft Möbelwagen, von dem ein wahrer Bonbonregen niederprasselt. Wagemutig stürzen sich die Kinder auf die Süßigkeiten. 

Wagen Um 14.45 Uhr tuckert der Bus endlich los. "Wir müssen arbeiten, bittet spendet uns Bonbons" steht auf einem Zettel, der im ersten Stock an einem Bürogebäude an der Friedrichstraße hängt. Auf Augenhöhe - vom Busdach zum ersten Stock - werfen wir den Menschen Kamellen und Popcorn ins offene Fenster. In der Lautenschlagerstraße kann man von Busdach aus über den Bauzaun an der EnBW-Baustelle sehen. Einige Handwerker machen auf ihrem Bauwagen eine Pause und freuen sich über Bonbons.

Die Freude über Bonbons und Popcorn ist groß 

Publikum An der Strecke sammeln die neunjährige Amelie und ihre Zwillingsschwester Sophie eifrig Süßigkeiten. Die beiden Schülerinnen aus dem bayerischen Polling besuchen den Stuttgarter Faschingsumzug schon zum zweiten Mal. "Wir haben beim letzten Mal so viele Süßigkeiten bekommen, dass wir wiederkommen wollten", sagt Sophie. Ihr Ziel: alle ihre mitgebrachten Tüten sollen voll werden. Deshalb, ergänzt Amelie, verbringen sie ihre Faschingsferien auch in diesem Jahr wieder bei Oma und Opa in Stuttgart. 

Wagen Endlich geht es in die Bolzstraße und danach auf den Schlossplatz. Unglaublich, wie sehr sich die Menschen über Lutscher, Bonbons und Popcorn freuen. Sie rufen und jubeln uns zu, gerade so, als würden wir Goldstücke verteilen. Charly Wagner führt den Wagen an - aber zu Fuß vor dem schwarzen Bus. Der Präsident der Karnevalsgesellschaft Grün-Weiss hätte wegen seiner Leibesfülle ohnehin Probleme, über die steile Leiter durch eine enge Luke auf das Dach des Wagens zu kommen. Seit fast 40 Jahren läuft der Karnevalist beim Umzug mit. Charly Wagner hat auch erlebt, wie in Mainz, Düsseldorf und Köln gefeiert wird: "Da kann man schon ein bisschen neidisch werden, aber so sind halt die Schwaben: Sie wollen zwar Fasching feiern, aber nichts ausgeben. Die Rheinländer sind da spendabler." 

Publikum Während die Kniebiser Grenzweg Sinfoniker mit schneller Blas- und Trommelmusik für gute Stimmung sorgen, freut sich die 33-jährige Barbara Icke über die vielen bunten Kostüme. Weil sie aus Irland kommt, wo nur Halloween gefeiert wird, ist das hier etwas ganz Besonderes für sie. Vor allem die Kinderkostüme haben es ihr angetan: "Die sind ja so was von süß. Da kann ich mir gleich ein paar gute Ideen für meine Kinder holen." 

Wagen Vor dem Rathaus brennt Heiko Fritz' Oberschenkel. Das Schritttempo fordert seinen Tribut: "Ich muss ständig auf die Kupplung treten. Das ist weder gut für den Bus noch für meinen Oberschenkel." Langsam gehen die Bonbons aus. Die Zuschauer machen dagegen nicht schlapp und jubeln selbst dem letzten Wagen zu. 

Publikum Zwischen Planie und Karlsplatz ist vor lauter Konfetti fast keine Straße mehr zu erkennen. Die 27-jährige Wen und ihr 30-jähriger Freund Le können sich kaum an den Masken und Kostümen sattsehen. Die beiden Austauschstudenten aus China sind zum ersten Mal in ihrem Leben beim deutschen Fasching. Ganz neu ist das närrische Treiben für sie aber nicht. "In China feiern wir auch Fasching", sagt Le. "Aber die Kostüme sind hier ganz anders. Es ist toll, das mal zu sehen."