Heiß, vitaminreich oder feuchtfröhlich: Wir stellen neun Superlative des Faschings in Baden-Württemberg vor, bei der keineswegs überall am Aschermittwoch schon alles vorbei ist.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Die fünfte Jahreszeit ist bei vielen noch unbeliebter als der Winter, den es auszutreiben gilt. Jeder fünfte Deutsche hasst Fasnacht, Fasching oder Karneval, lautet das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. Nur jeder Dritte will sich verkleiden. In der Region Stuttgart dürfte es noch mehr Fasnachtsmuffel geben. Ganz anders in den närrischen Hochburgen im Land: So haben Studenten der Uni Konstanz ermittelt, dass drei von vier Konstanzern eingefleischte Fasnachter sind. Ein kleiner Blick auf die besonderen Höhepunkte der schwäbisch-alemannischen Fasnacht im Südwesten:

 

Konstanz tobt am Schmotzige Dunschdig

Am Rathaus tobt eine grandiose Schlacht, am Obermarkt hat das Jakobinertribunal den Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vorgeladen, irgendwo ankert ein riesiges Piratenschiff, dazwischen drängen sich Mäschgerle, die als Clowns, Blätzlebuebe, Duschkabinen oder Kontrabässe verkleidet sind. Und mittendurch muss die Narrengesellschaft Kameler mit ihrem überlangen Narrenbaum . Am Schmotzige Dunschdig ist es in Konstanz voller als beim Weihnachtseinkauf auf der Stuttgarter Königstraße. Abends ziehen die Schüler als Hemdglonker durch die Gassen und outen auf Transparenten die Schwächen ihrer Lehrer. Danach tuten Schweizer Guggenmusiken durch die Stadt. Mehr Party ist nirgendwo im Land, und wer Glück hat, trifft in einem der Weinlokale auf den Stuttgarter Jazz-Professor Bernd Konrad, der mit Saxofon und einer Combo herumzieht.

Überlingen: die edelsten Narren

Bengalisches Feuer macht die Überlinger Altstadt zur Kulisse für einen der stimmungsvollsten Nachtumzüge im Südwesten. Am Samstagabend ist der große Auftritt der Überlinger Hänsele, eine der edelsten Narrengestalten. Das schwarze Plätzleshäs ist mit Pailletten bestickt, dazu gehört ein Fuchsschwanz als Kopfschmuck und ein eigentümlicher Rüssel. Frauen sind unterm Häs nicht zugelassen, längst haben sie ihre eigene Löwengruppe gegründet und darin, wie man hört, mehr Spaß als die selbst ernannten Gralshüter der schwäbisch-alemannischen Fasnacht. Trotzdem ist der Hänselejuck erstaunlich ausgelassen. Es wird getanzt und Schabernack getrieben, dazwischen knallen die Karbatschen. Und nach dem Umzug finden alle zur Partynacht zusammen.

Rottweil: berühmtester Narrensprung

Die Rottweiler Fasnet ist bekannt für ihre wunderschönen Masken – wobei dieser Satz schon Ärger macht. Die Masken heißen Larven und nicht anders. Auch sonst versteht man, wenn es in der ältesten Stadt Baden-Württembergs um die Fasnacht geht, keinen Spaß. Nur Einheimische dürfen unter das Narrenkleid. Das wird nach dem Bettzeitläuten um 18 Uhr wieder abgelegt. Darunter leidet allerdings die abendliche Sause. Zuschauen bei einem der Narrensprünge ist trotzdem schön, wenn auch nicht ohne Längen. Der wichtigste ist am Fasnachtsmontag um 8 Uhr, weitere folgen am Dienstag um 8 und um 14 Uhr.

Schramberg: fröhlichstes Programm

Wer sich beeilt, schafft es montags vom Rottweiler Narrensprung noch rechtzeitig zur Bach-na-Fahrt nach Schramberg. 40 Teams stürzen sich von 13 Uhr an in fantasie- und humorvoll aufgemotzten Waschzubern die Schiltach hinab. Der Brauch, einst in den 30er Jahren als Protestaktion gegen die Altvorderen eingeführt, ist längst zum Markenzeichen der Schramberger Fasnacht geworden – mit bis zu 30 000 Zuschauern aus nah und fern. Und über allem wacht eine hoorige Neon-Katze.

Villingen: vitaminreichste Geschosse

Ein wenig im Schatten von Rottweil stehen die Narrensprünge in Villingen und Oberndorf. Aber auch dort gibt es viel Tradition und beeindruckende Narrenfiguren mit wunderschön geschnitzten Larven. Die Oberndorfer Narren gelten zudem als freigiebig. Es gibt Brezeln, Würstchen und sogar Orangen. Die Oberndorfer Traditionsfrucht haben Vertreter des Osmanischen Reichs in der Stadt bekannt gemacht, als sie 1920 bei den örtlichen Mauserwerken Rüstungsgüter einkauften. Ratsam ist es allerdings, sich vorher mit den wichtigsten örtlichen Narrensprüchen vertraut zu machen. Wer etwas aufsagen kann, geht mit vollen Taschen nach Hause.

Sachsenheim: kuriosester Brauch

Ausgerechnet in Sachsenheim haben nach dem Krieg Siebenbürger Sachsen damit begonnen, ein Fasnachtsbrauchtum aus ihrer Heimat zu etablieren. In zotteligen Gewändern ziehen die Urzeln am Fasnachtssamstag durch die Teilorte, führen Tänze auf und machen in kleinen Gruppen Hausbesuche. Ein wenig wirken sie dabei wie Außerirdische. Immerhin: Vergangenes Jahr beteiligten sich 350 Hästräger, die dafür fünf Busse gechartert hatten. Das ganze ist halb Fasching, halb Heimattreffen. Im rumänischen Agnetheln, wo der Brauch herkommt, sind die Urzeln seit 1990 ausgestorben.

Wolfach: laufende Nasen

Gemessen an der Zahl der Umzüge pro Einwohner dürfte den Wolfachern keiner gleich kommen. Wenn sich Jungen und Männer – Frauen, die sich einschleichen, fliegen in den Brunnen – am Fasnetszieschdig (neudeutsch: Fasnetsdienstag) zum Nasenzug treffen, muss die Polizei schon zum elften Mal innerhalb einer Woche die Straßen der kleinen Stadt sperren. Allerdings fehlen große Motivwagen. Der Umzug ist etwas für die Freunde närrischer Details. Hier geht es nämlich darum, die eigene Nase so eigentümlich wie möglich zu gestalten. Sie wird dann herumgetragen, bis es dunkel ist und wirklich kein Zuschauer mehr am Straßenrand steht. Abschließend heulen alle Rotz und Wasser über das Ende der Fasnacht.

Müllheim: heißester Abschluss

Ohne ein großes Feuer zum Schluss kann sich kaum irgendwo ein Narr von der Fasnacht trennen. Offenburg, Konstanz oder Bad Säckingen sind für beeindruckend brennende Strohpuppen bekannt. Einen stimmungsvollen Abschluss bieten aber auch die Schiibefüür, die vor allem im Breisgau, im Schwarzwald und im Markgräflerland bekannt sind. Am ersten Wochenende nach Aschermittwoch, manchmal auch danach, brennen auf den Anhöhen die Fasnachtsfeuer. Scheiben aus Buchenholz werden auf Stöcken in die Nacht katapultiert. Ganz ungefährlich ist das Brauchtum allerdings nicht. Die erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1090 verdankt das Schiibefüür dem Feuer in einem Nebengebäude des Klosters Lorsch.

Basel: das letzte Gefecht

Wer noch nicht genug hat, fährt am Montag nach Aschermittwoch nach Basel. Exakt um 4 Uhr morgens geht das Licht aus. Tausende Trommler und Pfeifer ziehen in Cliquen durch die Gassen. Es bietet sich ein beeindruckendes und überaus ernstes Schauspiel. Narrensprüche braucht niemand zu können. Es geht einfach nur ums Schauen, Genießen und hinterher Mehlsuppe-Essen. Der Morgestraich ist jedenfalls schon das, was die schwäbisch-alemannische Fasnacht erst noch werden will: Weltkulturerbe. Ausgelassener wird es am Mittag. Dann dürfen die Guggemusiken ran. Übrigens kommen auch einige deutsche Orte „wie die alte Fasnacht daher“. In Büsingen, Hauingen und Weil am Rhein wird ebenfalls mit Verspätung gefeiert.