Rathaussturm in Hemmingen, närrisches Wochenende in Gerlingen: die heiße Phase der Fasnet hat auch im Strohgäu begonnen. Zum Umzug unter der Schillerhöhe kommen mehr als 1000 Fasnachter und Maskenträger von 38 Gruppen.

Strohgäu - In Hemmingen sind die Narren am Samstagmorgen vor dem Schloss noch im Schnee herumgetanzt und haben sich kalte Füße geholt. In Gerlingen am Sonntagnachmittag war es schon wärmer – wenn auch die Sonne nur zu ahnen war. Gegen Kälte half überall dasselbe Mittel: mehr oder weniger Hochprozentiges.

 

Maskentanz Den Auftakt zum närrischen Wochenende machte in Gerlingen am Freitagabend in der Stadthalle eine Veranstaltung, die ebenso gut besucht war wie der traditionelle Ball des Frohen Faschingsclubs (FFC) am Samstagabend: das „Maskenspaßturnier“. Sieben Maskengruppen stellten ihre Tanzkünste unter Beweis – und die wurden bewertet wie bei einem richtigen Gardetanzturnier. Nehmen die Narren sich und ihre Gepflogenheiten jetzt schon selbst auf die Schippe?

Rathaussturm Seit Herbst akribisch vorbereitet, ging der Rathaussturm in Hemmingen unfallfrei über die Bühne – mit dem Thema Feuerwehr und Anspielungen auf alte Fahrzeuge und das neue Magazin. Darüber gerieten der Bürgermeister Thomas Schäfer und Thomas Mixdorf von den Strohgäu-Narren heftig in Streit. Schäfer und der Hauptamtsleiter Ralf Kirschner kamen in alten Uniformen – ohne Blick auf die Kleiderordnung.

Wasserwerfer Die Hemminger Rathausmannschaft verteidigte sich mit Zähnen und Klauen und ihren „Wasserwerfern“ , einer Wasserpistole und einer Kübelspritze. Ob aber der Hinweis auf die Wasserwerfer am Schwarzen Donnerstag in Stuttgart so ganz geschickt war?

Polonaise Die Festnahme durch die Narren hat die Rathausmannschaft nicht sehr beeindruckt – bei der Polonaise danach waren alle dabei. Und Schäfers anderthalbjährige Tochter Lina durfte auf Papas Arm mittanzen. Vielleicht ist sie in zehn Jahren bei den Cheerleadern der Heimerdinger Fasnetsgruppe Obacha dabei. Die machten sofort mit, als die „Feuerwehrleute“ ein Spiegelballett mit den Mädchen in Gelb-Schwarz begannen.

Unterstützung Narren helfen sich – auch beim Rathaussturm. So waren in Hemmingen nicht nur die Heimerdinger Obacha und die Weilimdofer Hörnleshasen dabei, sondern auch die Sielminger Belzebuba oder die Gagerbach-Hexen aus Schwieberdingen – eine Gruppe von Frauen mit unterschiedlichsten schrecklich-schönen Hexenmasken und eigenem Namen.

„Holz her!“ Von jeder Narrengruppe gibt es Schlachtrufe. In Gerlingen heißt der des Frohen Faschingsclubs „Schella hopp, Schella hopp, Schella hopp-hopp-hopp!“. Auch Zimmerleute haben einen Schlachtruf. Das bemerkten die Zuschauer auf dem Rathausplatz am Samstagmittag, als 18 Männer und eine Frau von zwei Zimmereien den Narrenbaum aufstellten. Das dauerte gut eine halbe Stunde – zwischendurch musste man Bier trinken und beraten. Nach etlichen „Holz her!“ der Zimmerleute und unter Einsatz von reichlich Muskelkraft stand das Ding. Die Musiker der Hochdorfer Fleggafetzer heizten dazu ein – mit viel orangefarbener Schminke im Gesicht.

Absage Auf dem Programm des Närrischen Wochenendes in Gerlingen fehlte heuer der Rathaussturm. Die Stadt habe darauf verzichten wollen, erklärte Uli Theurer vom FFC den Besuchern des Narrenbaumstellens. Die Räume des Standesamtes, durch dessen Fenster man immer eingestiegen war, seien frisch renoviert und gestaltet, deswegen sei der Zugang zum Fenster von außen und innen nicht mehr so richtig möglich. Aus dem Rathaus hingegen hieß es, die Narren seien wegen der kurzen Kampagne in Zeitdruck. Mal sehen, was nächstes Jahr geschieht.

Lindwurm Der Umzug am Sonntag jedenfalls wurde in voller Länge durchgezogen. Auf der gut anderthalb Kilometer langen Strecke durch Gerlingen verteilten sich rund 1000 Teilnehmer von 38 Gruppen. Farbenprächtig ging’s da zu und laut. Und nicht mal die Streckenposten waren vor den Übergriffen Hunderter von Hexen sicher. So wurde eine junge Feuerwehrfrau, die wie zehn ihrer Kollegen die Besucher in Schach halten sollte, von zwei Hexen gepackt, auf ein fahrbares Karussell verfrachtet und so schnell gedreht, dass schon den Zuschauern schwindlig wurde.

Gedränge und Leere Solche Neckereien gelangen gut im ersten Teil des Umzugs in der Haupt- und Schulstraße, wo die Zuschauer in Dreierreihen standen. Im mittleren Teil der Strecke aber herrschte über 200 Meter Leere am Straßenrand.

Blickfang Echt spektakulär und akrobatisch sah die aus 15 „Wölfen“ bestehende Pyramide aus – eine Vorführung der Narrenzunft Reutlingen-Sickenhausen. Mit viel Qualm und Gedöns kam der fahrende Heuschober aus Schömberg daher. Klar, dass auch die eine oder andere Zuschauerin dort hinein entführt wurde.

Weite Anreise Die meisten Gruppen kamen aus der Region, aus Weilimdorf, Ditzingen, Bad Cannstatt, Leonberg oder Bissingen. Aber auch Hochburgen der schwäbisch-alemannischen Fasnacht waren gut vertreten. Die weiteste Anreise hatte die Narrenzunft Bad Schussenried – mit drei Maskengruppen und knapp 100 Leuten die stärkste Gruppe des Umzugs. Man komme auf Gegenbesuch, meinte der Zunftmeister – weil auch die Gerlinger am Rosenmontag stets nach Oberschwaben kämen. Darauf ein „Schorri – schorra – schorrum“.