Traditionell wird in Bad Cannstatt die schwäbisch-alemannische Fasnet-Saison am 6. Januar eingeleitet mit dem Erwecken des Brunnengeistes und der Taufe der Neulinge und Jubilare. Morgens um 6 Uhr werden die Gewänder entstaubt.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Sonntagmorgens ganz früh ist es eigentlich immer ganz dunkel und düster in und über Bad Cannstatt. Nicht so an diesem Sonntag, dem 6. Januar. In aller Herrgottsfrüh streifen da mehrere Monde durch die engen Gassen der Stadt. Sie haben an diesem Tag viel zu tun: Nachdem sie sich selbst entstaubt haben, wecken sie den Brunnengeist aus dem nahe gelegenen Jakobsbrunnen, dann folgt eine umfangreiche Taufaktion der Neulinge und solcher, die schon länger dabei sind. Dann bekommen die Neuen ihre Masken ausgeteilt, dann folgen Einträge ins Stammbuch, dann... – damit dieses Pensum erledigt werden kann, ist der Veranstaltungsbeginn morgens um sechs Uhr.

 

Monde und Felben

In Bad Cannstatt ist die schwäbisch-alemannische Fasnet zu Hause, und die beginnt nicht am 11. 11., sondern am 6. 1. um 6.01 Uhr. Das närrische Epizentrum ist das Zunfthaus der Kübler in der Küblergasse. Aber an diesem nassen und kalten Vormittag sind die Narren – eben die Monde und vor allem die Felben – ziemlich unter sich. Und was die da vorhaben, ist eher was für hart gesottene Zuschauer, vor allem bei solch einem Wetter. Denn getauft wird traditionell draußen vor dem Haus, egal bei welchem Wetter. Und da Bad Cannstatt bekanntlich das größte Mineralwasser-Vorkommen in Westeuropa hat – der Cannstatter spricht da von Sauerwasser – , fließt entsprechend reichlich viel von diesem Wasser bei dieser Taufe. Die frisch Getauften – an diesem Sonntag waren es 20 Stück– sind nach dem Zeremoniell so nass und durchfroren, als kämen sie soeben direkt aus dem Kaltwasserbecken vom Leuze, vom Berg oder vom Kursaal-Bad.

Ein Wasserbad in der Menge

„Ich trinke aus dem Henkeltopf, damit ich werd’ ein rechter Narrentropf“ – das ist der notwendige Täuflingsspruch, der zumindest den Neuen meist eher zögerlich und mit zittriger Stimme von den Lippen kommt. Denn sie müssen nicht nur einen Liter Sauerwasser auf einmal trinken, sondern werden dazu auch noch nass gespritzt vom Zeremonienmeister. Und da der Spruch beim ersten Mal meist nicht so wirklich närrisch gelingt, fordert die Menge der Umstehenden prompt eine Wiederholung – inklusive des Wasserzeremoniells. Und danach gibt es noch das obligatorische Wasserbad in der Menge: Jeder hüpft einzeln im Narrensprung durch das Rund der Anwesenden und wird dabei nochmals kräftig nass gespritzt. Die Jubilare – nach zehn Jahren Mitgliedschaft und nach 25 Jahren – bekommen das noch heftiger: Ihnen wird zum Treueschwur noch eine volle Flasche Sauerwasser langsam den Nacken hinuntergeschüttet.

Felben und Monde, das sind die traditionellen Fasnetsfiguren von Bad Cannstatt. Ihre Ursprünge haben sie in der an Anekdoten reichen Geschichte der Oberamtsstadt. Wer heute Felbe werden will, erkennbar an der Maske, die an einen gestutzten Weidenbaum erinnert, oder Mond – eher der elegante Narr mit gelbem Gesicht und blauem Gewand, kann heute im Prinzip jeder selbst entscheiden. Allerdings muss im gesamten Auftreten das Mischungsverhältnis gewahrt bleiben – es dürfen nicht zu viele Mondlöscher dabei sein.