In Kornwestheim herrschte am Wochenende Ausnahmezustand. Die Narren übernahmen das Zepter und ein großer Umzug schlägelte sich durch die Stadt.

Da bekommt auf einmal das Wort von der „Hexenjagd“ eine ganz neue, unbekümmerte Bedeutung: Während sich die Papas und Mamas allmählich im Nieselregen auf dem Marktplatz in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg)  in den Fasnetsumzug einreihen, spielen Nachwuchshexchen und Hexerchen fröhlich Fangen um den Marktplatzbrunnen.

 

Noch haben die Närrinnen und Narren an diesem Sonntag aus den Nachbarorten die Fasnetsmasken noch nicht aufgesetzt. Fast überall sonst ist die Maskenpflicht gefallen, nur die närrischen Hästräger sollen wieder Masken tragen. So kann man aber auch sehr gut sehen, dass die Straßenfasnet eindeutig weiblicher geworden ist auch in den Straßen Kornwestheims. Versteckten sich früher oft junge Männer unter den Masken, so tragen heute tatsächlich oft Frauen Hexenröcke. Der Nachwuchs bekommt inzwischen einfach ein Häs in Kindergröße und darf im Zug mitlaufen.

Drei Frauen aus Schmiden (Rems-Murr-Kreis) und Bietigheim-Bissingen haben da so ihre Geheimrezepte, um sich für den stundenlangen Marsch im nachmittäglichen Schmuddelwetter zu wappnen. „Viel Warmes untendrunter“, verrät eine. „Zwiebelprinzip, viele Lagen übereinander“, ergänzt lachend ihre Nachbarin.

Viele kamen von weit her

So ziemlich den weitesten Weg nach Kornwestheim hatten sicher alemannische Narren im Traditionshäs aus Achern im Ortenaukreis, 18 Kilometer südwestlich von Baden-Baden gelegen. Wie denn die Fahrt auf dem staugeplagten Autobahnabschnitt bei Pforzheim gewesen sei? Problemlos, verrät eine weibliche Hexe mit badischen Zungenschlag. Um 10 Uhr sei man sicherheitshalber gestartet. „Wenn wir einen Auftritt in Stuttgart haben, ist es viel schlimmer.“

Inzwischen hat sich eine dichte Menschentraube an der Kreuzung Stuttgarter Straße/Jakob-Sigle-Platz gebildet, denn der Zug ist pünktlich um 13.11 Uhr gestartet. Glück hat, wer aus einem der benachbarten Wohngebiete zu Fuß kommen kann, wie viele Familien mit kleinen Kindern. Autofahrer haben da viel schlechtere Karten. Längst schon sind alle halbwegs legalen Parkplätze im großen Umkreis der Strecke belegt. Die Kennzeichen verraten, dass Faschingsfans aus dem ganzen Großraum Stuttgart, aber wohl sogar auch aus benachbarten Bundesländern angereist sind. Zu den Hästrägern in allen denkbaren Farbkombinationen gesellen sich im Zug wilde Gesellen im schönen dicken Fellkostüm oder Funkenmariechen in der Uniform mit dem kurzen Röcken. Unter den Wagen ist sicher Bella die Schönste. Das beinahe 100 Jahre alte Prachtstück der Kornwestheimer Feuerwehr glänzt sogar noch im dichter werdenden Regen.

Zuschauer standen dicht gedrängt

Das Lied vom „Wellerman“ hat sich offenbar nicht nur mit dem Text „Jetzt ist Corona rum, wir tanzen froh im Kreis herum“ zum Kinderhit entwickelt, sondern wird mittlerweile auch in Guggenkapellen gern gespielt. Und die Zuschauer an den dicht besetzten Straßenrändern tanzen einfach gleich mit.

Am Tag zuvor, da noch bei schönem Wetter, hatte man auf dem dicht besetzten Platz vor dem Rathaus Hästräger aller Kornwestheimer Fasnetvereine bewundern können, allen voran die der Fasnetzunft und der Narren-Ober-Liga. Das Aufstellen des Narrenbaumes erforderte einiges an Kraft und Anstrengung. Oberbürgermeisterin Ursula Keck, diesmal in der Rolle des männlichen Schultes, lieferte sich mit Bettina Beck einen vergnüglichen verbalen Schlagabtausch in Reimform. Der „Schultes“ wetterte gegen die Frauen allgemein und gegen die im und am Rathaus im besonderen. Bettina Beck hatte im Narrenspiegel dagegen viele harte Sparmaßnahmen des Stadtoberhauptes zu bemängeln, seien es die niedrigen Temperaturen im Hallenbad oder die stark gestiegenen Mietkosten der städtischen Hallen im Sport- und Kulturbereich. Doch letztlich kam es, wie es kommen musste: Ursula Keck kapitulierte mit großer weißer Fahne und überließ den Narren das Rathaus.