Nur mit Schlagstöcken und Pfefferspray konnte die Polizei aggressive Gäste einer Feuerwehrparty in Ludwigsburg in den Griff bekommen. Nun stellt sich heraus, dass auch Feuerwehrleute gewalttätig waren.

Ludwigsburg - Eine Faschingsparty eskaliert, Betrunkene attackieren und verletzen fünf Polizisten, neun Personen werden vorläufig festgenommen – das alles ist schon gravierend genug, und tatsächlich haben die Vorfälle am Sonntagabend in Neckarweihingen ein gewaltiges Echo ausgelöst. Jetzt stellt sich heraus: Es ist alles noch schlimmer. Wie unsere Zeitung aus sicherer Quelle erfahren hat, handelt es sich bei den Leuten, die für den Gewaltexzess verantwortlich sein sollen, zumindest teilweise um Mitglieder der Feuerwehr.

 

Wie viele das genau sind, dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Entsprechende Gerüchte kursierten bereits seit Montag – was anfangs wohl vor allem darauf zurückzuführen war, dass sich die Tumulte auf dem Vorplatz des Neckarweihinger Feuerwehrgerätehauses abspielten. Anlässlich des traditionellen Faschingsumzugs betreibt die Feuerwehr dort jedes Jahr eine sogenannte Blaulichtbar.

Wieviele Feuerwehrleute beteiligt sind, bleibt offen

Von 13 bis 21 Uhr war diese geöffnet, geworben wurde mit „Longdrinks und Cocktails, sowie alkoholfreien Getränken und Verpflegung vom Grill“. Ganz offensichtlich haben einige Angehörige der Feuerwehr viel zu tief ins Cocktailglas geschaut. Die Rede ist von bis zu vier Personen – wobei es von anderer Stelle inoffiziell heißt, lediglich ein Feuerwehrmann und der Sohn eines weiteren seien involviert. Wie zu hören ist, wird in der Führungsriege über Konsequenzen nachgedacht – bis hin zu einem Ausschluss aus der Wehr. Der kommissarische Kommandant Hans-Peter Peifer, der den 2016 wegen interner Streitigkeiten abberufenen Kommandanten Andreas Thoß vertritt, äußert sich zu den Vorwürfen nicht, ebenso wie die Stadtverwaltung. Der Sprecher Peter Spear erklärt lediglich: „Wir prüfen die Vorgänge, können aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen.“ Der Abteilungskommandant der Neckarweihinger Feuerwehr hat bereits am Montag alle Nachfragen zu den Vorfällen barsch abgeblockt – und sogar mit juristischen Konsequenzen gedroht, falls sein Name in der Zeitung erscheinen würde.

Feuerwehrleute, die Polizisten verprügeln? Die Polizei selbst will sich am Mittwoch nicht dazu äußern. „Die Ermittlungen laufen noch“, sagt der Präsidiumssprecher Peter Widenhorn. Sie konzentrieren sich auf jene neun Personen im Alter zwischen zwischen 19 und 60 Jahren, die am Sonntagabend vorläufig festgenommen worden waren. Diese müssen nun vernommen werden, ebenso wie eine Vielzahl von Zeugen. Frühestens Anfang nächster Woche sei dies abgeschlossen, erst dann seien neue Erkenntnisse zu erwarten. Klar sei aber, so Widenhorn, dass es sich bei den Schlägern nicht um Feuerwehrleute im Dienst gehandelt haben könne. „Uniformierte waren nicht dabei“, berichtet er.

Kontrollverlust durch Alkoholkonsum

Das deckt sich mit unseren Recherchen, wonach die Feuerwehrangehörigen am Sonntag privat zum Feiern nach Neckarweihingen gekommen waren. Einige Gäste haben wohl mit zunehmendem Alkoholgenuss die Kontrolle verloren. Der 60-jährige Verdächtige ist deutlich älter als die anderen acht aus der Gruppe, die meisten davon sind jünger als 30 Jahre. Gegen sie wird wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung ermittelt.

Klar ist der Ablauf: Um 20.15 Uhr, also mehrere Stunden nach dem Faschingsumzug mit rund 15 000 Teilnehmern, wurde die Polizei zum Gerätehaus gerufen. Als die Beamten versuchten, drei streitende Männer zu trennen, hinderten sie weitere Besucher daran. Offenbar solidarisierte sich die stark alkoholisierte Menge daraufhin, die Polizisten sollen geschubst und geschlagen worden sein. „Erst unter Einsatz von zehn Streifenwagenbesatzungen mit Pfefferspray und Schlagstöcken konnte der Platz geräumt werden“, heißt es im offiziellen Bericht. Die Täter hätten „jegliche Anweisungen ignoriert“ und alle „polizeilichen Maßnahmen boykottiert“. Es habe eine Stunde gedauert, bis man die Situation im Griff gehabt habe.

Die Fasnetzunft ist entsetzt und distanziert sich

Die Fasnetzunft Mistelhexen, die den Umzug in Neckarweihingen organisiert, ist schockiert. „Ich bin entsetzt und wütend über das Ausmaß an Gewalt“, erklärt der Präsident Stefan Diefenbach. Inzwischen hat der Verein eine Erklärung veröffentlicht. „Wir möchten uns von den Vorgängen ganz klar distanzieren“, schreibt Diefenbach, „nach unserem Kenntnisstand waren hierbei keine Hästräger oder aktive Umzugsteilnehmer involviert.“ Der Verein stehe für gewaltfreies Miteinander ein, man wünsche den verletzten Polizisten eine „schnelle und gute Genesung“.

Inzwischen habe sich die Stadt an die Fasnetzunft mit der Frage gewandt, wie solche Vorfälle zu vermeiden seien. Diefenbach: „Wir können nicht fünf Stunden nach der Veranstaltung für die Sicherheit überall im Ort garantieren.“ Die Feuerwehr habe eine Sondergenehmigung für Ausschank zu dieser späten Stunde und sei dafür dann auch verantwortlich.

Vor fünf Jahren haben Feuerwehrleute mehr als 60 Fehlalarme in der Stadt ausgelöst, 2016 wurde nach heftigen Vorwürfen an seiner Amtsführung der Kommandant Andreas Thoß abberufen, und nun Neckarweihingen – die Ludwigsburger Wehr scheint nicht zur Ruhe zu kommen.