In Ridley Scotts Film „Prometheus“ spielt der deutsch-irische Hollywoodstar Michael Fassbender einen Androiden – einen abgründigen Charakter, wie so oft in seiner Schauspielerkarriere.
Stuttgart - Jahrelang hat die Besatzung des Raumschiffs Prometheus in ihren gläsernen Truhen geschlafen, jetzt wird sie geweckt von einem diensteifrigen Androiden, der so eine Ruhephase nicht nötig hatte. David heißt dieses verbindlich lächelnde Wesen, das in Ridley Scotts neuem Science-Fiction-Abenteuer aufrecht und unbeirrt als eine Art mechanischer Superbutler seinen einprogrammierten Pflichten nachgeht. In einer schmucklos-grauen Uniform läuft David herum, bringt Handtücher, wäscht Füße und gibt Auskunft, alles immer sanft und wohltemperiert, so als ginge er selbstlos auf in der ihm zugedachten Funktion. Aber dieser Androide hat Gefühle, es pocht in ihm eine heimliche Sehnsucht nach Größe und nach Anerkennung durch die Menschen. Weil er aber weiß, dass er nie wirklich dazugehören wird, umgibt ihn eine Aura von Einsamkeit und Melancholie.
Der 1977 in Heidelberg geborene Michael Fassbender, Sohn eines deutschen Vaters und einer irischen Mutter, spielt diesen blonden Androiden als übermenschlich-asketische Figur, die nicht nur optisch und in der Ich-streich-mir-eine-Locke-aus-der-Stirn-Gestik an David Bowie erinnert. Der Popstar wirkte ja auch immer faszinierend fremd, in einem seiner raren Filme erschien er 1976 sogar als Außerirdischer, nämlich als „Der Mann, der vom Himmel fiel“. Wobei der Android David in „Prometheus“ gleich zwei Vorbilder hat, das zweite und diesmal direkt zitierte ist der glamouröse Peter O’Toole in „Lawrence von Arabien“. Während sich David auf der „Prometheus“ Szenen dieses Epos ansieht, murmelt er die Sätze des Titelhelden mit, der über die menschliche Gesellschaft hinausgewachsen und vollständig von seiner Mission durchdrungen ist. Also auch jene Worte, die Lawrence nach einer stoisch bestandenen Feuerprobe spricht: „Der Trick ist, dass einem der Schmerz nichts ausmachen darf.“
Einer der intensivsten Schauspieler seiner Generation
Es ist ein Satz, der als Motto über fast allen Kinoauftritten des Michael Fassbender stehen könnte, und er trifft nicht nur auf dessen Rollen zu, sondern auch auf die Art, mit der dieser Schauspieler sie annimmt. In dem Römer-Thriller „Centurion“ (2010) wird er von grausamen schottischen Stämmen gejagt, verliert seine Waffenbrüder, hetzt schließlich allein durch eine unerbittliche Wildnis und erträgt klaglos unendliche Strapazen. Als englischer Offizier schlüpft er in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ (2009) in die Uniform des Feindes und hinter die Frontlinien, und wenn er in einem Pariser Lokal stolz sein Deutsch zelebriert und eine lange Geschichte erzählt, scheint er die Gefahr der Situation zu genießen. In der Verfilmung des düster-romantischen Romans „Jane Eyre“ (2011) hat sich Fassbender als schuldbeladener Schlossherr Rochester dann so zurückgezogen von seinen Mitmenschen und so eingeschlossen in seinen Schmerz, dass dieser am Ende auch durch eine junge Frau nur zu mildern, aber wohl niemals zu heilen sein wird.
Michael Fassbender ist in der irischen Kleinstadt Killarny aufgewachsen und wurde katholisch erzogen, seine Mutter zählt den Freiheitshelden Michael Collins zu ihren Vorfahren. Diese legendäre Figur hat Fassbender 2006 dann selbst in einem Theaterstück gespielt, und wenig später hat er im Kino die Rolle eines anderen Nationalhelden übernommen, nämlich die des IRA-Häftlings Bobby Sands. „Hunger“ heißt dieser Film, den der bildende Künstler und Fassbender-Freund Steve McQueen inszeniert hat. Der Schauspieler hat diesen Part so ernst genommen, dass er seinen sowieso schon schlanken Körper per Brachialdiät um weitere 14 Kilo erleichterte. Wie sich Sands als Hungerstreikender zäh gegen die Zwangsernährung wehrt, wie er seine Zelle systematisch mit Exkrementen „bemalt“, wie er ohne zu zögern sein Leben opfert für ein Fanal, das wird durch Fassbenders Darstellung zu extrem physischem Kino, in dem gleichzeitig die intellektuelle Durchdringung des Stoffes zu spüren ist. Mit dieser Tour de Force schafft Fassbender im Jahr 2008 den Durchbruch und ist nun einer der intensivsten Schauspieler seiner Generation.
Furchtlos stürzt er sich in zwiespältige Rollen
Michael Fassbender ist der Mann fürs Radikale, nicht für den Kompromiss. Furchtlos stürzt er sich in die von ihm so geliebten zwiespältigen Rollen, rücksichtslos liefert er sich ihren Abgründen aus. Und doch will er – und wollen auch die meisten seiner Charaktere – letztlich Herr über sich selbst und das eigene Schicksal bleiben. Der Schauspieler hat für diese Spannung zwischen Ordnung und Chaos übrigens eine biografische Erklärung: „Ich glaube, meine deutsche Seite will alles unter Kontrolle halten und die irische will alles kaputt machen.“
In der Superheldenverfilmung „X-Men: Erste Entscheidung“ (2011) blickt Fassbender am Ende als Magneto, dem durch die Nazizeit traumatisierten und nun von Rache getriebenen Herrscher über alle Metalle, verächtlich auf die Menschheit herab. Aber auch wenn er sich vor glühender Wut verzehrt, nach außen will er stets kühl und kontrolliert wirken. Und selbst in einem Thriller wie „Eden Lake“ (2008), in dem Fassbender als junger Ehemann von einer Jugendgang gefoltert wird, macht er seinen Peinigern noch vernünftige Vorschläge, die ihm nicht zu Unrecht als intellektuelle Arroganz ausgelegt werden.
Markantes Kinn und Raubtierlächeln
In David Cronenbergs „Eine dunkle Begierde“ (2011) spielt Fassbender den steif-formalen Psychoanalytiker Carl Gustav Jung, der sich gegen die leidenschaftlichen Avancen seiner von Keira Knightley gespielten Patientin wehrt und verliert. Nein, nicht immer behalten die Fassbender-Charaktere die Kontrolle über sich, auch in „Fish Tank“ (2009) überschreitet einer von ihnen die Grenze und verführt und missbraucht eine junge Frau. Und in „Shame“ (2011), wieder inszeniert von seinem Freund Steve McQueen, ist Fassbender als Engländer in New York seinem Sexualtrieb ausgeliefert, dem er immer wieder mit masochistisch-schmerzverzerrter Miene nachgibt. Nein, knuddelig und lieb ist dieser Mann mit dem markanten Kinn und dem Raubtierlächeln nicht. Wenn man den Charakteren näher rückt, die etwa sein ähnlich begabter US-Kollege Ryan Gosling spielt, werden diese manchmal weicher und fast kindlich. Wenn man aber den Charakteren Michael Fassbenders auf den Grund geht, werden diese oft noch härter, noch kälter. „Wie weit würden Sie gehen für Ihre Ziele?“, fragt der Androide David in „Prometheus“ ein Mitglied der Raumschiffbesatzung. David selbst, das ist klar, würde sehr weit gehen.
Splitternacker Frauenheld
Michael Fassbender (35) hat einen deutschen Vater und eine irische Mutter. Er wurde in Heidelberg geboren und wuchs in Killarney in Irland auf. Über sein Privatleben weiß man nicht sehr viel. Im Frühjahr hat er bestätigt, dass er sich mit seiner Kollegin Nicole Beharie (27) „treffe“. Allerdings hat er kein Problem damit, nach wie vor als Frauenheld bezeichnet zu werden, wie er kürzlich im Interview mit dem „Playboy“ erzählte. Er springt gern mit dem Fallschirm aus Flugzeugen und liebt schnelle Motorräder.
Fassbender hat sich das Image eines Extremschauspielers erworben. Dass in „Shame“ mehrmals sein Penis zu sehen ist, habe ihn, so munkelt man in Hollywood, den Oscar gekostet. George Clooney hat bei seiner Golden-Globe-Rede den inzwischen berühmt-berüchtigten Fassbender-Auftritt so angesprochen: „Michael, du kannst ja mit den Händen auf dem Rücken Golf spielen!“