Am späten Donnerstagabend dieser Woche beginnt für Muslime der Fastenmonat. Vor allem für junge Gläubige heißt das auf mehreren Ebenen: Weniger ist mehr.

Filder - Shafqat Hussain serviert Essen nicht nur, er moderiert es an. Während er hinter der Theke des Vaihinger Cafés Mosaik Fleisch schneidet oder Falafelbällchen brutzelt, erzählt er kurzweilig. Über die Art, wie er am liebsten Currys zubereitet, über die Herkunft der Getränke im Kühlschrank oder der Pistazien, die er mit Kardamom in einen orientalischen Milchdrink mixt. Schwer zu glauben, dass das im Verlauf des kommenden Monats anders sein soll.

 

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Das Nordlicht mit den pakistanischen und afghanischen Wurzeln ist gläubiger Moslem. An diesem Donnerstagabend beginnt der Fastenmonat Ramadan. Und Shafqat Hussain wird zwischen der Morgendämmerung und dem Sonnenuntergang verzichten. Auf Essen und Trinken, aber auf noch viel mehr. „Im Ramadan fasten mein Magen, meine Zunge, meine Augen und meine Ohren“, sagt er. Wenig sprechen, „das ist für mich sehr schwer“, aber auch keine Musik, keine Filme, kein Sport. Das gehört für ihn zur Askese. „Ich faste doch nicht und ziehe mir dann Netflix rein“, sagt der gelernte Wirtschaftsfachwirt. Vieles, was Shafqat Hussain im Ramadan ablehnt, geht durch die Corona-Krise sowieso nicht, etwa Reisen oder Partys. Stattdessen versuche er, viel zu lesen, vor allem religiöse Bücher, und noch mehr zu beten. Zudem gehören Spenden dazu. „Eigentlich ist das der traditionelle Ramadan.“

Normalerweise gingen deutlich mehr junge Menschen in die Moscheen

Mit seiner Ansicht ist er nicht allein. Auch in der Familie von Farah Alhamwi wird Verzicht geübt. Die 38-jährige Syrerin lebt in Filderstadt-Bonlanden und weiß, dass während des Ramadans etwa das Shisha-Rauchen tabu ist. Stattdessen werde deutlich mehr gebetet. Zwar sind wegen Corona die Gotteshäuser aktuell geschlossen, grundsätzlich aber sagt sie über den Fastenmonat: „Es sind mehr junge Leute in den Moscheen.“

Shafqat Hussain ist 41. Er sagt, dass gerade die jüngere Generation zunehmend auf mehr Spiritualität setze. Viele nutzten den Ramadan, um schlechte Angewohnheiten abzulegen, etwa auf Zucker oder Fleisch zu verzichten. „Die Jungen besinnen sich immer mehr auf das Original zurück. Sie ziehen das mehr durch als ihre Eltern.“ So sähen gerade gesundheitsbewusste junge Muslime die Vorteile leichterer Speisen zum Fastenbrechen, „sie sind abends beim Gebet nicht so träge“. Vielerorts wird allerdings nachts reichlich aufgetischt. Nicht selten kochen die Frauen stundenlang. Shafqat Hussain lehnt das ab. „Das Üppige, das Pompöse, das hat mit dem Ramadan nichts zu tun“, findet er. Nach seiner Erfahrung gehe es oftmals auch darum, sich mit aufwendigen Kreationen zu präsentieren. „Das Zeigefreudige wird weniger, da werden die Leute sensibler.“

Man wolle nicht viele schwierige Gerichte kochen

Auch im Umfeld von Farah Alhamwi sind allzu königliche Mahlzeiten zum Fastenbrechen out. Aus mehreren Gründen. „Viele nutzen den Ramadan zum Abnehmen“, erzählt sie. Bei Instagram etwa finde man viele Programm von Ernährungsberatern dazu, wie man den nächtlichen Imbiss gesund und mager gestalte. Sie selbst setzt auf Suppe, Salat und ein leichtes Hauptgericht. Die Leiterin einer Frauengruppe beim Filderstädter Verein Integra stellt klar: „Wir haben keine Zeit und keine Kraft. Wir wollen nicht den ganzen Tag in der Küche stehen und viele schwierige Gerichte kochen.“

Datteln, Milch und Wasser – vor allem gegen Ende des Ramadans, wenn sich der Magen an die Entbehrungen gewöhnt habe und es wie beim Marathon aufs Ende zugehe, reicht das Shafqat Hussain während des Fastenbrechens, „das ist die Praxis des Propheten“. Wenn er doch etwas koche, müsse es keinesfalls orientalisch sein. Spätzle, Gulasch oder Hackbraten – aber in Maßen. Dass er trotzdem tagsüber im Café Mosaik steht und für andere kocht, momentan zum Abholen, stört ihn nicht. „Man gewöhnt sich dran.“ Er nennt ein Wort aus dem Koran: nefs. Der innere Schweinehund.