Die Fastenzeit hat begonnen. Wer möchte, hinterfragt seine Konsumgewohnheiten und eingeschliffenen Verhaltensformen.

Stuttgarter Norden - Schluss mit lustig. Am Aschermittwoch ist die närrische Zeit zu Ende gegangen. Häs’ und Tröten sind im Schrank verstaut und werden frühestens am 11.11. wieder ausgepackt. Stattdessen hat für Christen nun die 40-tägige Fastenzeit begonnen. Sie soll an die 40 Tage erinnern, die Jesus nach seiner Taufe fastend und betend in der Wüste verbrachte. In der Bergpredigt, die im Matthäus-Evangelium überliefert ist, ruft Jesus seine Anhänger selbst zum Fasten auf. Bis heute gilt die Passionszeit zwischen Aschermittwoch und Karsamstag als Phase des Entsagens und der inneren Einkehr. Die Sonntage werden allerdings ausgeklammert: Sie gelten als Feiertage, an denen auf nichts verzichtet werden muss. Das Osterfrühstück bildet schließlich den feierlichen Abschluss.

 

„In der Fastenzeit empfinden Christen das Leiden Jesu nach, indem sie eigene Lebensgenüsse zurückfahren“, erklärt Harald Küstermann, Pfarrer der evangelischen Lutherkirche in Feuerbach, den Brauch. Viele Menschen nutzen die Zeit, um Konsumgewohnheiten und eingeschliffene Verhaltensformen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die einen trinken keinen Alkohol, die anderen essen keine Süßigkeiten oder kein Fleisch. Manche lassen den Fernseher aus und widmen die Zeit der Familie und dem Miteinander.

„Der Verzicht kann an jeder Stelle erfolgen, an der man einen Trieb oder eine Gier verspürt“, sagt Küstermann. „Wir wollen aber keinen Masochismus, sondern ein Sensibelwerden.“ Es gehe darum, sich selbst Grenzen zu setzen, statt diese von außen diktiert zu bekommen. Das betont auch Jochen Stiefel, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Feuerbach: „Die Fastenzeit ist dazu da, zu schauen, wo sich Abhängigkeitsstrukturen aufgebaut haben. Die zu lösen, ist eine Freiheitserfahrung.“

Der Verzicht soll im Verborgenen geschehen

Entscheidend ist laut Küstermann, dass der Verzicht im Verborgenen erfolgen und nicht Effekt heischend nach Außen getragen werden soll. „Dann zieht man daraus an einer falschen Stelle einen Gewinn“, erklärt er. Vielmehr gehe es darum, sich auf sich selbst zu konzentrieren.

Pater Gregor Kosielski von der katholischen Sankt-Clemens-Gemeinde in Botnang beschreibt die Fastenzeit als „Kurskorrektur“, um wieder auf den Weg zu kommen, den man als Christ leben sollte. „Fasten, um wieder auf den Geschmack zu kommen“, nennt er das. Neben Beten und Fasten gehöre auch dazu, sich Zeit für seine Mitmenschen zu nehmen und nach denjenigen zu schauen, die Hilfe bräuchten. „Wir sollen die Fastenzeit aber nicht als Bußzeit sehen, in der wir bestraft werden. Vielmehr ist es auch eine frohe Zeit, in der wir uns auf Ostern vorbereiten“, erklärt der Katholik.

In den Gemeinden werden unterschiedlich ausgerichtete Fastengruppen angeboten. „Exerzitien im Alltag – Mut zur Unterbrechung“ heißt eine Gruppe, die sich in der Lutherkirche trifft. Dort stehen Selbstreflexion und Meditation im Vordergrund. „Wir wollen lernen, Stopp zu sagen und uns Stillezeiten zu gönnen“, sagt Sieglinde Hopfhauer, die den Kurs leitet. Ziel sei, Impulse auch in den Alltag mitzunehmen. Die Fastengruppe von Pfarrer Stiefel hingegen wählt den körperlichen Weg, um ein neues Gleichgewicht zu finden. Sieben Tage nehmen die Teilnehmer keinerlei Nahrung, nur Flüssigkeit zu sich. „Man fühlt sich beschwingter und denkt anders über sich nach“, berichtet Stiefel aus Erfahrung.

Fastengruppen im Stuttgarter Norden

Feuerbach: Die evangelische Kirchengemeinde bietet vom 21. bis 28. März eine Fastengruppe an. Ein erstes Treffen ist am Mittwoch, 14. März, um 20 Uhr in der Gustav-Werner-Kirche, Wildeckstraße 33. Telefonische Anmeldung unter 469 15 33.

In der Lutherkirche findet an vier Samstagen „Exerzitien im Alltag – Mut zur Unterbrechung“ statt. Teilnehmer treffen sich am 3., 10., 17. und 31. März zwischen 17 und 19 Uhr im Burgenlandzentrum, St.-Pöltener-Straße 29. Anmeldung unter 89 69 13 15.

Botnang: Die katholische Kirchengemeinde Botnang führt vom 1. bis 10. März einen Fastenkurs im Eugen-Bolz- Haus, Belaustraße 5, durch. Am Montag, 27. Februar, gibt es dort von 18 Uhr an eine Informationsveranstaltung. Anmeldung unter 69 56 58. lem