CDU-Chef Merz spielt die Dramatik des Klimawandels herunter. Diese Lebenslüge erweist der Partei einen schlechten Dienst, kommentiert Norbert Wallet.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

Das ist kein Zufall. Genau vor dem großen Klimakongresses der CDU gibt Parteichef Friedrich Merz ein Interview, das den Umwelt- und Energiepolitikern seiner Partei in den Rücken fällt. Die Botschaft ist glasklar: Es ist alles gar nicht so schlimm, vor allem gar nicht so dringlich mit dem Klimawandel. Morgen geht die Welt schon nicht unter. Hauptsache, in den nächsten zehn Jahren werden die Weichen irgendwie richtig gestellt. Dann wird alles gut.

 

Vielleicht ist diese als Politik kaschierte Bräsigkeit kurzfristig ganz erfolgreich. Das Signal richtet sich an alle, die von den Veränderungsnotwendigkeiten genervt sind, denen alles zu schnell geht: Abschied vom Verbrenner, Abschied von der alten Heizung. Das sind in einer stark überalterten Gesellschaft nicht wenige. Wenn Klimaschutz die privaten Gewohnheiten antastet, wenn Klimaprotest – etwa durch Blockaden – die eigenen Kreise stört, wenn Umweltpolitik nicht mehr Kino ist, sondern Anleitung zum Ändern der Lebenspraxis – dann hört der Spaß auf, dann ist mal gut, dann geht das zu weit.

Merz bedient dieses Lebensgefühl und vermutlich kassiert er dafür den Beifall, den er sich erhofft. Für die Gesellschaft aber ist diese falsche Beruhigung fatal. Die Zeit, die er vorgaukelt zu haben, haben wir in Sachen Klimaschutz nämlich längst nicht mehr. Und seiner eigenen Partei erweist Merz mit dieser geschickt platzierten Lebenslüge einen Bärendienst. Vielleicht bindet er die Fortschrittsmüden noch etwas stärker an die Partei. Aber er entfernt die CDU genau von den Milieus, die die Partei braucht, um wieder Bundestagswahlen zu gewinnen. So ist Merz für die CDU kurzfristig ein Sanierer, aber langfristig ein Sicherheitsrisiko. Auf der Überholspur zurück ins Gestern – das kann keine verheißungsvolle Strategie für eine Volkspartei sein.