Im Dreigroschentheater in der Kolbstraße ist an diesem Freitag die Uraufführung von „Unser Faust“ nach Goethe, geschrieben und inszeniert von Jürgen von Bülow. Das Werk hatte bereits eine Vorauführung als Live-Video-Aufführung in Zeiten des Lockdowns.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Goethes „Faust“ Wort für Wort auf der Bühne zu inszenieren, ist eine Mammutaufgabe. Peter Stein hat das mal vor einigen Jahren an der Berliner Schaubühne gemacht. 22 Stunden reine Aufführung sind da zustande gekommen für beide Teile. Das ist selbst für hartgesottene Wagner-Fans eine große Herausforderung. Jeder Regisseur muss da deshalb zum Rotstift greifen, um eine Inszenierung formen zu können, die die Theatergänger gut informiert über den Stoff, die zugleich aber auch gut unterhält und fasziniert.

 

Der Regisseur Jürgen von Bülow hat deshalb auch zum Rotstift gegriffen. Aber er hat auch noch einiges mehr daraus gemacht. Deshalb nennt er das Stück auch „Unser Faust“. Die Uraufführung ist an diesem Freitag um 20 Uhr im Dreigroschentheater an der Kolbstraße nahe dem Marienplatz.

Faszination „Faust“

Bei von Bülow kann man sich darauf verlassen, dass sich hier ein erfahrener Theatermann an das Werk herangewagt hat. „Der Stoff hat mich schon immer fasziniert, ein ganz wichtiges Erlebnis war Claus Peymanns ,Faust‘-Inszenierung Mitte der 1970er Jahre. Das war überhaupt mein Erweckungserlebnis zum Theater“. Das ist eine ganze Weile her. Doch nun, nachdem von Bülow selbst etwa 70 Inszenierungen gemacht hat an den verschiedensten Bühnen im Land, wagt er sich selbst an dieses Stück. „Ich frage mich natürlich, was dieses Werk uns heute noch sagen soll, beziehungsweise, wie man diesen Klassiker vermitteln kann“, so von Bülow und denkt dabei auch an die heutige Schülergeneration. Seine Idee: Die vier Schauspieler tragen nicht nur die Texte der Hauptakteure in dem Stück vor, sondern diese erzählen auch davon, wie sie sich diesen Figuren angenähert haben, was sie von diesen halten und wie man so etwas auf einer Bühne umsetzt. Und da gibt es natürlich auch sehr viel O-Ton von Goethe selbst. Da wird auch Kritik laut oder besser: Unverständnis. „Ein Problem hat man mit diesem Stück heute schon“, so von Bülow, „die Figuren, allen voran Faust, handeln und agieren nach ihren eigenen Vorgaben, aber sie reflektieren nicht ihr Verhalten. Insbesondere Faust: Er strebt und strebt, aber was das mit den anderen macht, wie die damit fertig werden, da gibt es von ihm keine Gedanken darüber.“ Da sind die Stücke oder auch die Stücke von heute doch etwas anders. Da geht es schon auch um die Verantwortung des Einzelnen in der Gesellschaft.

Gretchen erzählt erstaunlich viel

Konkret bedeutet das etwa, dass auch Gretchen hier erstaunlich viel erzählt. Sie ist beispielsweise auch ziemlich brüskiert darüber, dass sie diesen Namen in der Koseform in der Weltliteratur hat. Seine Feuertaufe hat „Unser Faust“, schon bestanden; als Live-Video-Aufführung in Lockdown-Zeiten. Die Schauspieler agierten da von ihren Wohnzimmern aus, gingen dabei auch mal auf ihren Balkon. Im Dreigroschentheater ist das natürlich nicht möglich, da stehen die vier leibhaftig auf der Bühne. Geblieben ist der Grundcharakter der Inszenierung, eine Aneinanderreihung von Monologen. „Das ist eben in Corona-Zeiten entstanden, als nicht klar war, ob und wie gespielt werden kann“. Neu ist jetzt aber für das Dreigroschentheater: Die Schauspieler gehen jetzt auch ins Publikum. „Alles natürlich entsprechend der Corona-Regeln“, versichert von Bülow.

Kartenreservierung unter: 0711/ 65 09 35