Der Star ist der Trainer: Ganz Liverpool liebt Jürgen Klopp – doch nun geht es darum, dass er nicht nur Emotionen bringt, sondern auch Erfolge. Schafft er auch das?

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/München - Jürgen Klopp ist wieder der Jäger. Er mag das im Grunde, er war schon immer einer, der gerne aus der Außenseiterrolle kam, der die Favoriten dann schneller überrollte, als sie schauen konnten. Klopp liebt das bescheidende Understatement vor dem Spiel, in dem er die Gegner dann plötzlich ganz unbescheiden mit seinen Rambazamba-Mannschaften überrollt. Favoriten sind die anderen. Wir geben Vollgas und gewinnen. So war das bisher – bei Mainz 05, bei Borussia Dortmund, und lange Zeit auch beim FC Liverpool.

 

Jetzt haben sich die Dinge gedreht. Klopp ist in diesen Wochen ein Jäger wider Willen. Nachdem er mit den Reds in der Premier League zwischendurch mal sieben Punkte Vorsprung hatte auf Manchester City, ist er jetzt wieder Zweiter hinter Pep Guardiolas Team. Und in der Champions League muss er im Achtelfinal-Rückspiel an diesem Mittwoch in München (21 Uhr) plötzlich den FC Bayern jagen. Es gab ja nicht wenige, die vor dem Hinspiel in Anfield (0:0) behaupteten, dass die Messe schon nach diesem ersten Aufeinandertreffen gelesen sei. Das so gefestigte Liverpool schießt die wackelnden Bayern aus dem Stadion, das war die vorherrschende öffentliche Meinung. Es kam bekanntlich anders.

Klopp will in Liverpool was gewinnen

Jürgen Klopp steht jetzt also unter Druck, mehr denn je, auch wenn er das nicht hören will. Denn der Jäger, er muss endlich zum Sammler werden. Denken die Fans des FC Liverpool. Denkt eine ganze Stadt. Ein Titel muss her, das weiß Klopp besser als jeder andere. Er selbst war es, der bei seiner Antrittsrede 2015 diesen Satz sagte: „Ich habe für vier Jahre unterschrieben, wenn ich bis dahin nichts gewonnen habe, werde ich nicht mehr hier sein!“ Besser könnte man es vielleicht auch heute nicht ausdrücken. Denn sollten die Reds in München ausscheiden, wäre das nicht nur eine herbe Enttäuschung – es gäbe obendrein wohl erste deutliche Kratzer am bisher noch so makellosen Bild Klopps in Liverpool.

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Er hat einen ganzen Club wachgeküsst und mit seiner gewinnenden Art vereinnahmt, klar. Er hat den Reds auf und neben dem Platz seine ganze Power eingeimpft. Er war bisher nicht weniger als ein Heilsbringer für diesen Club, der seit 1990 auf den Gewinn der englischen Meisterschaft wartet. Aber was hat dieser Klopp bisher mit den Reds gewonnen? Genau: nichts.

Drei Endspiel-Niederlagen mit dem FC Liverpool

Klopp stand mit dem FC Liverpool schon in drei großen Endspielen. Alle wurden verloren: Champions League 2018 (1:3 gegen Real), Europa League 2016 (1:3 gegen Sevilla), Ligapokal 2016 (gegen Manchester City). Auch in der nationalen Meisterschaft gewannen die Reds keinen Titel mit Klopp. Und wer es nicht gut meint mit dem Starcoach, der kann ihm sogar seine Bilanz nach dem Jahr 2012, als er mit Borussia Dortmund das Double und damit seiner bisher letzten Titel holte, vorlegen: Niederlage im Champions-League-Finale 2013. Und Niederlagen in den DFB-Pokal-Endspielen 2014 und 2015.

Und jetzt? Muss Klopp liefern, wie das im Fußballerdeutsch so schön heißt. Es ist ja auch noch lange nicht alles schlecht, so ein 0:0 im Hinspiel ist vor einem Auswärtsspiel im Europapokal nicht das schlimmste Ergebnis, und ein Punkt Rückstand in der Premier League auf Manchester City ist schnell aufgeholt. Alles kann noch gut gehen in dieser Saison für Klopp. Die große Frage ist: Muss es das auch? Es ist ja nicht nur so, dass der Druck auf Klopp aufgrund des rasend schnell verspielten Sieben-Punkte-Vorsprungs wächst. Es sind ja auch die veränderten Vorzeichen, die die Erwartungen in die Höhe getrieben haben. Finalist in der Königsklasse 2018, dazu die teils sündhaft teuren Verstärkungen im Sommer, all das weckt die Begehrlichkeiten nach dem ersten Titel. Und der Heilsbringer Klopp hat plötzlich etwas zu verlieren.

Dreht sich Klopps Energie ins Gegenteil?

Dietmar Hamann, ehemaliger Profi des FC Liverpool und heutiger TV-Experte, drückte das in der „SZ“ kürzlich recht eindrücklich aus: „Wenn’s gut läuft, können diese Emotionen, die Klopp selbst befeuert, ein unheimlicher Antrieb sein. Er hat den Fans wieder Hoffnung gegeben, er hat etwas entfacht und Heldenstatus erlangt, ohne etwas Großes gewonnen zu haben. Nur: Sollte das mal in die andere Richtung kippen, kriegt er ein Vielfaches davon zurück.“ Hamann sagt weiter: „Das Ding ist auf der Kippe. Das Ganze geht so lange gut, wie die sehnsüchtigen Fans den Glauben haben: Es geht noch was! Wenn nicht, wird es irgendwann heißen: Ist der Trainer wirklich so gut, wie wir ihn gesehen haben?!“

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Und Klopp selbst? Der ging nach nach dem mühseligen 4:2 am Wochenende in der Liga in den Kampfmodus über und knöpfte sich die britischen Journalisten vor: Die würden immer „einen Riesen-Aufstand“ um nichts machen. Dann folgte ein Satz, den man auch beim FC Bayern vernommen haben wird. „Die Botschaft des Tages ist“, sagte Klopp, „dass uns niemand so schnell los wird.“