Die Flügelspieler von Bayern München sind schnell und torgefährlich – was die VfB-Außenverteidiger vor besondere Probleme stellt. Eine Gegenüberstellung vor dem Bundesligaspiel am Samstag in München.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Emiliano Insúa hat es sich wie gewöhnlich schnell und schön eingerichtet. Mit seiner Lebensgefährtin Tatiana und dem dreijährigen Sohn Noah wohnt er jetzt in Bad Cannstatt, er schätzt den kurzen Anfahrtsweg zum Trainingsgelände, und auch in der Mannschaft des VfB Stuttgart hat Insúa seine Rolle rasch gefunden: Der 26-jährige Linksverteidiger ist das Viertel der Viererabwehrkette, das am besten funktioniert.

 

Das liegt zum einen daran, dass Insúa ein argentinischer Verteidiger ist. Und dabei handelt es sich nicht nur um einen biografischen Hinweis, sondern argentinische Verteidiger sind in der Fußballszene eine Art Gütesiegel: Sie sind hart, sie sind kompromisslos, und sie können auch noch kicken.

„Uns unterlaufen oft die gleichen Fehler“

Zum anderen hat Insúa schon so viel Auslandserfahrung mit nach Stuttgart gebracht, dass er in der Bundesliga keine Anpassungsprobleme hatte. Und wer in Buenos Aires aufgewachsen ist und die fußballerische Ausbildung bei den Boca Juniors durchlaufen hat, den können nun auch die Sturmwarnungen für Samstag nicht schrecken. Bayerische Wirbelstürme sind angekündigt, vor allem über die Außenbahnen.

„Wir müssen schauen, dass wir unsere Fehlerzahl reduzieren“, sagt Insúa, „wobei uns noch oft die gleichen Fehler unterlaufen.“ Häufig sind es sogar elementare Fehler, vor denen auch der Südamerikaner nicht gefeit ist. Zuletzt gegen Darmstadt verdribbelte er sich – und der VfB lief in einen Konter. Mal wieder. Denn es scheint sich zu einer Eigenart der Stuttgarter zu entwickeln, dass sie den Gegnern trotz Führungen und Überzahlsituationen Räume und Möglichkeiten eröffnen.

Gegen die Münchner Flügelflitzer könnte das verheerende Folgen haben. „Wenn es nur die Spielverlagerungen und das Spiel über die Außen wären“, sagt der Trainer Alexander Zorniger, der schon während des 5:1 der Bayern gegen den FC Arsenal bemerkt hat: „Zunächst sah es so aus, als würde viel über links laufen, doch dann haben wir festgestellt, dass es gerade egal ist, über welche Seite die Bayern angreifen.“

„Guardiola ist ein sehr kluger Kopf“

Die Post geht rechts wie links ab – und wenn es sein muss auch durch die Mitte. „Man muss akzeptieren, dass Pep Guardiola ein unglaublich kluger Kopf ist und wir, beziehungsweise die Liga, das Pech haben, dass er auch noch unglaublich kluge Spieler hat“, sagt Zorniger über den Bayern-Coach und die speziellen Laufwege des Meisters. Was auch die Gegner mit einer besseren Statik im Team als die Stuttgarter reihenweise zusammenbrechen lässt, sobald das erste Gegentor fällt.

Das muss natürlich auch der VfB befürchten. Denn trotz der Verpflichtung Insúas im Sommer befindet sich die Elf noch immer in einer instabilen Seitenlage. Nur seitenverkehrt zur Vorsaison. Da war die linke Abwehrseite – mit Adam Hlousek, Konstantin Rausch oder Gotoku Sakai – ein rechtes Problem und wirkte regelmäßig wie eine verzweifelte Versuchsanordnung. Nun schwächelt aber wieder die rechte Seite. Florian Klein, in der vergangenen Runde einer der Verlässlichsten, läuft seiner Form und damit ziemlich häufig seinen Gegenspielern hinterher. Zur Ehrenrettung des österreichischen Verteidigers muss jedoch angeführt werden, dass er von seinen Mitspielern oft alleinegelassen wird.

Bayerns gefährlich schnelle Flügelspieler

Gerade einmal 39 Sekunden hat es gedauert, ehe ein jeder der 70 000 Fans in der ausverkauften Münchner Fußballarena die Ansage des dribbelnden Holländers verstanden hatte: Es geht schon ohne Arjen Robben, lautete sie – aber mit ihm geht es eben deutlich besser. Immerhin hatte der Linksfuß auf der rechten Außenbahn gleich seinen ersten Ballkontakt genutzt, um in der Champions-League-Heimpartie gegen den FC Arsenal zum 4:0 zu treffen.

„Unsere Defensivleistung führt dich weder zum Sieg noch ins Achtelfinale, sie führt dich gar nirgendwohin“, maulte der Arsenal-Coach Arsène Wenger hinterher, als der 5:1-Sieg der Super-Bayern durch Tore von Robert Lewandowski (10.), zweimal Thomas Müller (29., 89.), David Alaba (44.) sowie durch Robben (55.) bei einem Ehrentreffer von Olivier Giroud (69.) besiegelt war.

Auf den Flügeln wird gezaubert – auch ohne Ribéry

Während der Elsässer Wenger, seit 19 Jahren bei den Gunners als Cheftrainer aktiv, sichtlich an der Vorstellung seines Teams zu knabbern hatte, war sein Gegenüber Pep Guardiola für seine Verhältnisse fast schon der Ekstase nahe: „Es ist Wahnsinn. Wir sind in der besten Form, seit ich hier bin – und schießen in jedem Heimspiel vier, fünf, sechs Tore.“

Der VfB Stuttgart, der am Samstag (15.30 Uhr) beim FC Bayern seine Aufwartung macht, dürfte durch das Schicksal der Gunners, immerhin der Tabellenzweite der englischen Premier League, in höchster Alarmbereitschaft sein. Denn die Zeiten, als ein verletzungsbedingter Ausfall des Turbodribblers Franck Ribéry zu einer gewissen Beruhigung in den Münchner Reihen führte, die sind längst passé. Auf den Flügeln des Rekordmeisters wird trotzdem weitergezaubert.

VfB muss die bayerischen Wirbelwinde stoppen

Pep Guardiola kann sich sogar locker den Luxus erlauben, den ebenfalls lange verletzten Arjen Robben seiner 1-b-Selektion auf der Bank zuzuordnen. So war einmal mehr zu beobachten, welch gutes Auge die Münchner Scoutingabteilung um den aus Leverkusen geholten Michael Reschke besitzt. Also überzeugte am Mittwochabend auf dem linken Flügel zunächst der 19 Jahre alte Franzose Kingsley Coman, den die Bayern von Juventus Turin holten. In 54 Minuten gelang ihm bis auf ein Tor praktisch alles – Beinschüsse und Tempodribblings zum Beispiel. Sein Arsenal- Gegenüber Mathieu Debuchy wird froh sein, wenn er in der französischen Nationalelf bald zusammen mit Kingsley Coman spielen wird.

Seit September 2014 festes Mitglied der brasilianischen Seleção ist der Mann, der zunächst rechts und später auf dem linken Flügel unaufhörlich seine Haken schlug und die Münchner Torjäger Lewandowski und Müller mit Vorlagen versorgte. Douglas Costa kam von Schachtjor Donezk und ist so etwas wie die Blaupause eines mannschaftsdienlichen Spielers. Auch gegen die Londoner feierte Costa seine Zuspiele, etwa den uneigennützigen Pass vor dem 5:1 auf Müller, wie eigene Tore. „Für mich erfüllt sich bei Bayern ein Traum“, sagt Costa, der es selbst einem fitten Franck Ribéry schwer machen wird, an ihm vorbeizukommen. Die Hausaufgabe der VfB-Außenverteidiger vor dem Spiel bei den Bayern lautet also: Wie lassen sich die drei Wirbelwinde auf den Münchner Außenbahnen stoppen?