Arjen Robben ist durch seinen Treffer zum 2:1-Endstand zum Helden des Champions-League-Finales geworden. Noch vor einem Jahr war er gegen Chelsea der Depp, als er einen Elfmeter verschoss.

London - Schlusspfiff. Das Signal, zu Boden zu sinken. Nicht nur einen kurzen Moment, sondern richtig lang. Deshalb zoomte auch alsbald die erste Kamera auf diesen Mann mit dem kahlen Haupt. In seiner Pose auf dem heiligen Rasen in London hatte diese Person eine verdammte Ähnlichkeit zu jenem Protagonisten, der vor einem Jahr auf dem Grün in München gekauert hatte. Und kullerten nicht damals wie heute Tränen übers Gesicht?

 

Arjen Robben gab sich hinterher gar keine Mühe, seine Emotionen zu unterdrücken. Ja, er habe geweint. Verständlich. Vor einem Jahr war das finale Trauma gegen den FC Chelsea an ihm festgemacht worden; nun ging die letzte Jubelarie gegen Borussia Dortmund auf ihn nieder. Zu viel der Achterbahnfahrt – selbst für einen Grenzgänger wie Arjen Robben.

„Das vergisst man nicht, was letztes Jahr passiert ist. Das kommt alles wieder hoch“, sagte der 29-Jährige. „Das waren bei mir drei Finals, das WM-Endspiel noch dazu. Und du willst nicht mehr den Verliererstempel tragen. Du willst doch was gewinnen.“ Dass der FC Bayern das fünfte Mal in seiner Vereinsgeschichte nun den Henkelpott geholt hat, geht auf die Metamorphose des Flügelflitzers zurück. 2012: gedemütigt von den eigenen Fans, die ihm seinen Elfmeterschuss und seinen Egoismus vorhielten und in einem eigens für ihn arrangierten Freundschaftsspiel gegen die niederländische Nationalelf auspfiffen. 2013: gefeiert in Wembley von den Anhängern, die Robben auf der Bande stehend dirigierte. Mit einer niederländischen Flagge, die er sich um die Hüften gewickelt hatte.

Robben wird zum besten Spieler der Partie gekürt

Robben, der das 1:0 von Mario Mandzukic (60.) fabelhaft vorbereitet hatte, um dann das 2:1 zu erzielen (89.), schwelgte im Glück, als ihm Manchester Uniteds ehemaliger Trainer Sir Alex Ferguson im Pressesaal die Auszeichnung zum „Man of the match“ überreichte. Die Wandlung vom Depp zum Helden hatte Robben seit Wochen, ja Monaten angestrebt, wie Trainer Jupp Heynckes zu berichten wusste: „Ich habe Arjen zuletzt sehr intensiv erlebt. Er wirkte sehr fokussiert, er hat sehr bewusst trainiert, aber nicht überdreht.“

Robben berichtete, er habe dieses Finale „schon einige Male in meinem Kopf durchgespielt. Wenn es dann so ausgeht, ist es ein Traum“. Beim finalen Akt in vorletzter Minute habe er wieder instinktiv gehandelt, „ich habe das Zuspiel von Franck antizipiert, habe auf den Ball gehofft, den Raum gesehen.“ Und dann erwischte er den vorzüglichen BVB-Torwart Roman Weidenfeller auf dem falschen Fuß. „Obwohl ich erst links vorbeigehen wollte.“ Verständlich, dass er später wie ein Kind auf der ausgelegten Bayern-Flagge herumtollte und ein T-Shirt voller Stolz trug, auf dem prangte: „Football is coming hoam“.

Robben war im März nur Ersatzspieler

Vergessen dieses vermaledeite „Finale dahoam“. Und verdrängt, dass Robben seinen Stammplatz in diesem Ensemble eigentlich erst sicher hatte, als sich Toni Kroos verletzte. Noch im März polterte die Nummer zehn des FC Bayern nach profanen Bundesligaspielen wie in Wolfsburg los, warum er denn nur als Einwechselspieler eingesetzt werde. Als Teilzeitarbeiter taugt er nicht, das ist sein Selbstverständnis, und in diesem Endspiel zeigte er, dass es tatsächlich ein Frevel gewesen wäre, auf seine unberechenbare Qualität zu verzichten. Wann wirkten der um Orientierung ringende Lukasz Piszczek, der ins Leere grätschende Mats Hummels und der auf den Boden plumpsende Neven Subotic so hilflos wie Robbens Geniestreich?

Der Matchwinner saß noch in der Pressekonferenz, als sien Kollege Dante mit seiner mitgeführten Musikanlage die Kollegen bereits am Bus in Wallung brachte. Bastian Schweinsteiger tanzte auf einem Golfcart und trank Sekt. Aber auch Robben konnte sich noch als Feierbiest outen. Im großen Festsaal des „Grosvenor House“ nahe am Hyde Park, stellte sich Robben auf einen Stuhl, schwenkte in der einen Hand eine Vase mit roten Rosen, in der anderen hielt er eine Bierflasche und seine bayrische Brust wurde immer breiter.