Der stolze Weltmeister und der FC Bayern München– wird das nochmal was? Der Abgang von Innenverteidiger Jérome Boateng steht offenbar bevor.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/München - Eigentlich sind diese Bilder ja rührend und wunderbar. Jérôme Boateng, gerade zum siebten Mal nacheinander deutscher Meister mit dem FC Bayern geworden, sitzt da also zwischen seinen beiden Zwillingstöchtern Lamia und Soley auf dem Meisterpodest. Alle drei in Rot, alle drei innig vereint, wenig später kicken sie dann noch ein bisschen auf dem mit Konfetti übersäten Rasen der Münchner Arena. Es sind Szenen, wie sie schon länger Usus sind im Profifußball nach irgendwelchen Titelgewinnen, die dann gerne mit Kind und Kegel zelebriert werden.

 

Im Falle des Jérôme Boateng (30) hatte die Sache am Samstag aber einen entscheidenden Haken. Denn der Abwehrmann, der vorher mal wieder nur auf der Ersatzbank gesessen hatte, feierte eben nur mit seinen Töchtern. Und nicht mit seinen Teamkollegen, die längst in der Kurve waren und den üblichen Blödsinn mit den großen Weißbiergläsern trieben. Nicht mal die Meisterschale interessierte den Weltmeister noch. Als Erster verließ Boateng dann den Rasen. Und wenig später brauste er im Sportwagen davon – und nicht etwa zur offiziellen Meisterfeier am Abend am Münchner Nockherberg. Da nahm Boateng gar nicht teil.

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Er sei, so heißt es, stattdessen auf der Hochzeit eines Freundes gewesen, der Club hätte Bescheid gewusst, immerhin. Auf Instagram postete Boateng am Abend übrigens noch ein Bild vom Podest mit seinen Töchtern. Er schrieb dazu: „Die beste Art, den Titel zu feiern, ist mit meinen Mädchen.“

Wer also noch das letzte Zeichen brauchte, wie sehr Boateng mit dem FC Bayern abgeschlossen hat, wie desillusioniert er ist, er bekam es im Netz. Die Zeichen stehen auf Abschied, mehr denn je.

Dabei schien die Beziehung zwischen Bayern und Boateng schon im vergangenen Sommer vor dem Ende zu stehen. Der gebürtige Berliner war sich mit Paris Saint-Germain über einen Wechsel einig. Es scheiterte an der Ablöse. Dem Vernehmen nach will Paris nun den nächsten Versuch starten, auch Inter Mailand soll Interesse haben.

Boateng – einst einer der besten Innenverteidiger der Welt

Fakt ist: Die Bayern haben nun mit Lucas Hernández und Benjamin Pavard bereits zwei Verteidiger für die neue Saison verpflichtet. Mats Hummels und Niklas Süle sind ebenfalls noch da. Für Boateng ist in München offenbar kein Platz mehr. Auch weil sich da zwei Parteien, der Spieler und der Club, zuletzt immer mehr voneinander entfernt haben.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Es gab mal eine Zeit rund um den Champions-League-Sieg der Bayern 2013 und den WM-Triumph der Nationalelf ein Jahr später in Brasilien, da hielten viele Experten diesen Modellathleten für den besten Innenverteidiger der Welt. Weil er das Komplettpaket aus körperlicher Wucht, Schnelligkeit, Zweikampfstärke und überragendem Aufbauspiel bot. Und jetzt? Sind die Bayern offenbar froh, wenn Boateng geht. Und Boateng ist froh, wenn er endlich gehen darf.

Die Entfremdung begann im November 2016, als der Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nach einem schwachen Spiel des Abwehrmanns sagte, Boateng solle mal wieder „back to earth“ (also auf den Boden) kommen, und Boateng daraufhin meinte, über so eine Kritik könne er „nur lachen“. Das Problem: Für Rummenigge widmete sich Boateng manchmal zu sehr seinen Auftritten außerhalb des Platzes. Schuhe, Mode, Lifestyle, hin und wieder gerne auch mal auf einer Party präsentiert, das ist Boateng eben auch wichtig. Bei schwachen Spielen und immer wiederkehrenden längeren Verletzungspausen bieten solche Typen dann eben Angriffsfläche. Manchmal auch in der Vorstandsetage.

Weil zu den Formkrisen obendrein immer wieder die Verletzungen dazukamen, lief es irgendwann nicht mehr rund bei Boateng. Von Juli 2016 an fehlte er insgesamt mehr als 300 Tage wegen Muskel-, Leisten- und Schulterverletzungen.

Eine Party erhitzt die Gemüter

In der abgelaufenen Saison erreichte er den Tiefpunkt. Unter Bayern-Trainer Niko Kovac war er meist nur noch Ersatz, und im Februar musste er (wie die anderen stolzen Weltmeister Mats Hummels und Thomas Müller) auch noch erfahren, dass der Bundestrainer Joachim Löw künftig nicht mehr mit ihm plant.

Außerhalb des Spielfelds aber stand dieser Boateng mehr denn je im Rampenlicht – er fiel als Herausgeber eines Hochglanzmagazins auf. Es heißt „Boa“. Und als er kürzlich eine groß beworbene Party in einer Münchner Edeldisco ein paar Stunden nach dem Bundesliga-Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund veranstaltete, da wurde es auch Uli Hoeneß zu bunt. „Ich werde da nicht hingehen – weil es ein Schwachsinn ist“, polterte der Bayern-Präsident.

Hätte Boatang diese Party irgendwann in den Monaten nach dem WM-Triumph von 2014 gemacht – wahrscheinlich hätten es dann alle toll gefunden. Der Wind in München aber hat sich längst gedreht. Die Zeichen stehen mehr denn je auf Trennung.

Jérôme Boateng, der Mann, der eine der erfolgreichsten Dekaden in der Geschichte des FC Bayern entscheidend mitgeprägt hat, wird womöglich bald still und leise durch die Hintertür verschwinden. Es wäre ein trauriger Abgang. Für alle Beteiligten.