Sollte es zu einem Showdown zwischen Merkel und Schulz kommen, drohen die kleinen Parteien, aus dem Blickfeld zu geraten. Wie gehen Sie damit um?
Mehr als 2700 Menschen haben sich in diesem Jahr den Freien Demokraten angeschlossen. Diese stark steigenden Mitgliederzahlen lassen nicht den Schluss zu, dass wir in Vergessenheit geraten. Die Leute, die wir umwerben, blicken nicht mit Angst auf die Welt sondern mit Neugier und Ungeduld. Unsere potenziellen Wähler werden deshalb von Herrn Schulz eher geweckt und mobilisiert als von uns weggetrieben. Und da die Union als Vertreterin der Marktwirtschaft völlig unkenntlich geworden ist, sind wir jetzt eben die Einzigen, die Schulz in inhaltlichen Fragen Paroli bieten.
Im Mai wählt Nordrhein-Westfalen. Die FDP liegt bei rund zehn Prozent. Sie könnten also in die Verlegenheit geraten, als Koalitionspartner gefragt zu sein. Eine reizvolle Aussicht?
Aber sicher. Die FDP tritt nicht an, um es sich im Parlament bequem zu machen. Wir wollen gestalten. Allerdings müssen die Inhalte stimmen und in Baden-Württemberg haben wir dokumentiert, dass wir nicht um jeden Preis in eine Regierung eintreten. Eine Ampel schließen wir auch in NRW aus. Ansonsten kann man sprechen. Aber wenn wir nicht hinreichend viele eigene Projekte umsetzen können, gehen wir lieber in die Opposition. Insbesondere wollen wir die grüne Schulpolitik beenden und die Menschen aus der Verbots-, Verzichts- und Bevormundungspolitik der Grünen befreien.
Gilt das alles auch für den Bund?
Für den Bund gilt wie in NRW: Wir sind immer zu Gesprächen bereit. Aber für eine CDU- und eine SPD-geführte Regierung gilt so oder so, dass wir lieber in die Opposition gehen, wenn wir unsere Handschrift in der Regierung nicht zeigen können. Die größten Schnittmengen haben wir mit der Union. Aber die Union ist als marktwirtschaftliche Partei momentan durch eigene Programmpunkte nicht zu erkennen.
Wie weiter mit Erdogan? Wie bewerten Sie die Absage aller Werbeauftritte von Regierungsmitgliedern und AKP-Politikern?
Herr Erdogan glaubt offenbar, alles erreicht zu haben, was er erreichen wollte. Die Bundesregierung steht reichlich belämmert da. Frau Merkel hat sich einen schlanken Fuß gemacht und die Verantwortung auf Kommunen und Bundesländer abgewälzt. Ich hätte erwartet, dass die Bundesregierung - so wie unser niederländischer Parteifreund Rutte - spätestens nach den Nazi-Vergleichen alle Wahlkampfauftritte untersagt und dass endlich ein Schlussstrich unter die mittlerweile völlig sinnfreien EU-Beitrittsgespräche gezogen wird. Das ist eine Frage der Selbstachtung unseres Landes und der Rückenstärkung der Opposition in der Türkei.

Das Gespräch führte Thomas Maron.