Was wird nach schweren Schlappen aus der FDP-Landeschefin Birgit Homburger? Bis zur Bundestagswahl im September ist diese Frage tabu – doch sie treibt die Partei schon heute um.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Hans-Ulrich Rülke hielt sich ganz an die vorgegebene Linie. Bloß keine Personaldiskussion mehr führen, Geschlossenheit im Blick auf die Bundestagswahl demonstrieren – diese Devise gilt bei der Südwest-FDP seit dem für ihr Spitzenpersonal desaströsen Bundesparteitag in Berlin. Also bemühte sich der FDP-Fraktionschef im Landtag, die Wahlschlappen für die Landesvorsitzende Birgit Homburger und den Spitzenkandidaten Dirk Niebel nach Kräften zu relativieren.

 

In den vergangenen Tagen, berichtete Rülke zu Wochenbeginn vor Journalisten, habe er viele Gespräche an der Basis und mit Bürgern geführt. Dort sei der Parteitag vor allem als Erfolg für die Liberalen wahrgenommen worden, nämlich als Stärkung des Bundesvorsitzenden Philipp Rösler und des „Spitzenmannes“ Rainer Brüderle. Die Ergebnisse von Homburger und Niebel, die in der Tat „keine erfolgreichen“ gewesen seien, spielten vielleicht „für das Innenleben der Partei“ eine Rolle. Darüber hinaus aber interessiere es wenig, „ob jemand dritter Stellvertreter oder dritter Beisitzer geworden ist“. Entscheidend sei nun, dass die Liberalen geschlossen in den Bundestagswahlkampf zögen.

„Keine Diskussion über künftigen Landesvorstand“

Entlang dieser Linie verlief offenbar auch die Nachlese zum Parteitag am Wochenende im Landesvorstand. Neuigkeiten gebe es aus der Sitzung nicht zu berichten, hieß es offiziell. Und auch inoffiziell waren keine Signale zu vernehmen, ob und welche Schlüsse Homburger aus der Ohrfeige von Berlin zu ziehen gedenkt. Man werde auch keine Diskussion darüber führen, „wie der künftige Landesvorstand aussehen soll“, gelobte der FDP-Fraktionschef.

Genau das fragen sich indes viele Südwest-Liberale im Blick auf den Parteitag am 2. November, bei dem die Neuwahl des Vorstandes ansteht. Das ursprünglich für den Sommer geplante Delegiertentreffen war eigens bis nach der Bundestagswahl verschoben worden, um im beginnenden Wahlkampf keine Personaldebatte führen zu müssen. Eine solche hätte Homburger schon vor dem Bundesparteitag fürchten müssen – und danach erst recht.

Viele Liberale sind der Vorsitzenden überdrüssig

Es ist eine beachtliche Kette von Demütigungen, auf die die 47-jährige Bundestagsabgeordnete aus dem Hegau inzwischen zurückblicken kann. Von der stellvertretenden Bundesvorsitzenden zur Beisitzerin degradiert zu werden – damit hatte sie nicht gerechnet. Schließlich hatte ihr Rösler den Parteiposten auch als Ausgleich dafür angeboten, dass sie den Fraktionsvorsitz einst für seinen Vorgänger im Ministeramt, Brüderle, räumte. „Loyalität zahlt sich nicht zwingend aus“, folgerte Homburger sarkastisch.

Kurz vor dem Verzicht auf ihren politischen Traumjob hatte Homburger gerade diesen in die Waagschale geworfen, um nach der verlorenen Landtagswahl 2011 als Landeschefin bestätigt zu werden. Es gelte, sie für Berlin zu stärken, hieß es damals. Gleichwohl erhielt sie nur eine hauchdünne Mehrheit gegen den Europaabgeordneten Michael Theurer. Auch bei der Aufstellung der Landesliste im vorigen November musste Homburger schmerzhaft erfahren, dass Teile der Partei ihrer überdrüssig geworden sind. Selbst auf dem zweiten Platz und ohne Gegenkandidaten erhielt sie nur knapp 65 Prozent der Stimmen. Die Spitzenkandidatur hatte sie dem Entwicklungsminister Niebel überlassen, um ein Duell mit ihrem Vorgänger Walter Döring zu vermeiden. Nebenbei: Hätte Döring gewonnen, wären die Liberalen jetzt in der nächsten Bredouille – wegen der Ermittlungen gegen den einstigen Vorstand des Windpark-Projektierers Windreich.

Im Fall des Falles will Rülke mitreden

Dass auch Niebel in Berlin abgemeiert wurde und als Beisitzer durchfiel, macht die Lage für die Landes-FDP nicht leichter. Doch Homburger zeigte sich von allen Nackenschlägen unbeeindruckt: „keine Sekunde“ habe sie an einen Rückzug aus der Politik gedacht. Nun werde man erst recht allen Ehrgeiz darein legen, wieder das beste Ergebnis aller Landesverbände abzuliefern. Ob sie Landevorsitzende bleibe? „Die Frage stellt sich überhaupt nicht“, lautet ihre Standardauskunft. So sieht es auch Hans-Ulrich Rülke. Solange Homburger im Amt bleiben wolle, versicherte der Fraktionschef, werde er sie unterstützen – auch nach dem 2. November. Sollte sie aber irgendwann genug haben, „könnte ich mir vorstellen, mich an der Nachfolge-Diskussion zu beteiligen“.