Die FDP sammelt Geld mit Hilfe einer Firma, an der ein schillernder Unternehmer für Glücksspielautomaten beteiligt ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist ein Termin für eingefleischte FDP-Fans. Wer nach der mindestens zweistündigen Dreikönigskundgebung im Stuttgarter Staatstheater noch nicht genug hat, der kann sich gleich im Anschluss ins nahe Hotel am Schlossgarten begeben. Dort bitten der Bundesparteichef Philipp Rösler und der Schatzmeister Otto Fricke bei einem späten Mittagessen „zu Gesprächen über aktuelle politische Themen“.

 

Eingeladen sind Personen, von denen angenommen wird, dass sie die Liberalen gerne finanziell unterstützen würden. Für den „exklusiven Fundraising-Lunch“ sollen sie 250 Euro locker machen, über die sie eine steuerabzugsfähige Spendenquittung in gleicher Höhe erhalten. Dafür erleben die Esser nicht nur die FDP-Bundesprominenz samt Generalsekretär Patrick Döring, sondern auch die Baden-Württemberger Birgit Homburger und Dirk Niebel.

Die Landesvorsitzende und der Spitzenkandidat haben laut einem Parteisprecher „ihre Teilnahme zugesagt“, sie seien aber ansonsten „in Planung und Organisation des Lunches nicht eingebunden“. Nicht einmal den Gastgeber, einen gewissen Bruno Stegmann, scheinen sie näher zu kennen. Gänzlich unbekannt dürfte es ihnen indes nicht sein, wie die nicht nur an schlechten Umfragewerten, sondern auch an Spendennot leidende Partei Geld akquiriert – und welche Rolle dabei eine FDP-Firma spielt, die teilweise einem schillernden Glücksspielunternehmer gehört.

Ein „typischer Fundraising-Event“ am 6. Januar

Auch bei der Bundeszentrale erfährt man zum Gastgeber lediglich, er habe sich „nach dem Besuch eines Fundraising-Events in Berlin entschlossen, selbst zu einer vergleichbaren Veranstaltung einzuladen“. Das Essen am 6. Januar 2013 in Stuttgart sei ein solcher „typischer Fundraising-Event“, teilte ein Parteisprecher mit. Die FDP sei dabei „nicht Veranstalter, sondern nur Begünstigter“. Die Gastgeber – in diesem Fall Stegmann – „laden zu sich nach Hause in ein Restaurant ein und bewirten dort einen Personenkreis, von dem sie annehmen, dass er bereit ist, für die FDP zu spenden“. Das Geld fließt an den liberalen „Bürgerfonds“, seit 2002 die Spendensammelstelle der Partei. Über die Jahre sei dort „eine eigene Spender-Community entstanden, die über diverse Formen der Ansprache und Teilhabe in die Kampagnen der Partei eingebunden wird“. Offiziell besteht zwischen der Essenseinladung im nicht gerade billigen Schlossgarten-Hotel und der erbetenen Geldgabe kein Zusammenhang: Die Teilnahme am Lunch sei nicht von der Spende abhängig, „auch wenn offensiv darum gebeten wird“. Das ist wohl wichtig, weil für die Spende so keine Gegenleistung erfolgt. Doch kaum einer der vermuteten FDP-Freunde dürfte es sich einfach gratis schmecken lassen.

Der großzügige Gastgeber zahlt übrigens nicht nur Speis und Trank, sondern auch noch an einen Dienstleister für die Organisation: Bei größeren Veranstaltungen, so der FDP-Sprecher, übernehme die Veranstaltungsagentur Pro Logo „das operative Handling des Events“. Anmeldungen sind denn auch an die Geschäftsführerin Ute Spangenberg (56) zu richten, die vor Jahren als regelmäßige Begleiterin von Guido Westerwelle aufgefallen war; sogar über angebliche Heiratspläne wurde damals in der Klatschpresse spekuliert.

Gauselmann nennt die Vorwürfe „absurde Unterstellung“

Spangenbergs „Gesellschaft für Veranstaltungsorganisation mbh“ mit Sitz in Berlin spielt bei der Finanzierung der FDP eine wichtige, zuweilen auch kritisch beleuchtete Rolle. Erst im Herbst kam sie wieder in die Schlagzeilen: Da wurde durch Medienrecherchen vorneweg des ARD-Magazins „Monitor“ und der Zeitschrift „Stern“ bekannt, wer neben der FDP (71 Prozent) mit 29 Prozent an der GmbH beteiligt ist: die Unternehmensgruppe von „Glücksspielkönig“ Paul Gauselmann. Mitgesellschafter sei ein Steuerberater aus der Nähe von Bonn, bestätigte der Parteisprecher der Stuttgarter Zeitung, „der den Anteil treuhänderisch für die Gauselmann-Gruppe hält“. Erworben wurden die Anteile schon in den Jahren 2004 und 2007, für zusammen 652 500 Euro.

Auf die Investitionsmöglichkeit, berichtete Gauselmann, habe ihn der frühere FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms hingewiesen. Man kenne sich seit den siebziger Jahren, als der kürzlich von der Partei abservierte Dauerabgeordnete noch „Produzent von Bildschirmgeräten in der Automatenbranche“ und sein wichtigster Zulieferer von Bildschirmspielen gewesen sei. Die Beteiligungen an der Pro Logo GmbH und an einer Druckfirma habe ihm Solms als für beide Seiten wirtschaftlich sinnvoll empfohlen; seither habe die Veranstaltungsagentur jährlich 2,67 Prozent ausgeschüttet. Dass er mit der Beteiligung an den FDP-Firmen Einfluss auf die Politik habe nehmen wollen, ist für Gauselmann eine „absurde Unterstellung“ – zumal die Liberalen damals in Berlin in der Opposition gewesen seien.

Bundestag sieht keinen Verstoß gegen das Parteiengesetz

Ein gewisses Misstrauen schlägt dem „Automatenkönig“ indes entgegen, seit 2011 ein Spendentrick publik wurde: Leitende Mitarbeiter der Firmengruppe wurden angehalten, individuell an mehrere Parteien zu spenden – so blieben die Einzelbeträge jeweils unter der Grenze von 10 000 Euro, von der an Spenden veröffentlicht werden müssen. Beigefügt war jeweils ein Begleitbrief des Unternehmens. Erst kürzlich untersuchte die Bundestagsverwaltung, ob es sich bei Gauselmanns Engagement bei der Druckfirma und bei einem Grundstücksgeschäft um verdeckte Spenden handeln könnte. Das Ergebnis: „Dieser Verdacht hat sich als unbegründet herausgestellt.“ Man habe keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Transparenzvorschriften des Parteiengesetzes gefunden.

Für die Organisation Lobby Control ist der Befund allerdings „wenig aussagekräftig“. Er offenbare vielmehr „die gravierenden Lücken des Parteienrechts für Tochterfirmen von Parteien“. Zudem müsse das Prüfverfahren des Bundestags „selbst auf den Prüfstand“.

Auf dem Rückmeldeformular für das Essen in Stuttgart können die Eingeladenen übrigens ankreuzen, ob sie per Überweisung oder mit einer Einzugsermächtigung zahlen wollen. Selbst im Falle einer Absage bittet die Partei noch um Geld: „Ich kann leider nicht kommen, unterstütze aber gerne die FDP mit einer Spende in Höhe von … Euro“, ist dort vorgegeben. Muss man sich also förmlich freikaufen? Aber nein, versichert der Sprecher: „Bis jetzt ist noch kein Eingeladener auf den abwegigen Gedanken gekommen, nur bei einer Spende absagen zu können.“