FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat den AfD-Eklat im Landtag ausgelöst: ein Mann, der sich mit politischen Attacken profiliert. Neben der AfD ist sein Lieblingsgegner CDU-Innenminister Thomas Strobl.

Stuttgart - Bei den FDP-Treffen rund um Dreikönig in Stuttgart wird sicher ein Liberaler etwas mehr ins Rampenlicht rücken als bisher: der FDP-Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke (57). Er gilt als der scharfzüngigste Liberale aus Baden-Württemberg, der zwar im Ringen um den Landesparteivorsitz Michael Theurer 2013 unterlag und somit auch bundespolitisch als Mann der zweiten Reihe wahrgenommen wird. Aber stärker als der moderate Steuer- und EU-Experte Theurer hat Rülke in den letzten zwölf Monaten sein kantiges politisches Profil geschliffen: Mit scharfen Attacken auf Freund und Feind.

 

Rülkes emotionale Landtagsrede im Oktober 2017 über die AfD, indem er den Rechtspopulisten „eine Nazi-Diktion“ vorwarf, wurde zum Internet-Hit. Und am Mittwoch im Landtag schrammte Rülke knapp an einem Ordnungsruf vorbei. Da nahm er die SPD vor einer Verbalattacke des AfD-Mannes Stefan Räpple in Schutz und sagte, als die Sozialdemokraten damals unter Hitler ins KZ mussten, da seien „die geistigen Vorläufer von Leuten wie Räpple im Stechschritt durchs Brandenburger Tor marschiert“. Ein glatter Nazivergleich. Er löste tumultartige Szenen aus.

Den CDU-Minister Strobl bezeichnet Rülke als „Problembären“

Dass er keinen Ordnungsruf kassierte, ist für Rülke selbstverständlich: „Einem Herrn Räpple, der mich schon als Volksverräter bezeichnet hat und der sogar von der AfD als zu radikal ausgeschlossen wird, tritt man wohl kaum zu nah, wenn man ihm eine Nähe zum Stechschritt unterstellt“, sagte Rülke unserer Zeitung. Am auffälligsten aber ist Rülkes Dauerfeuer auf Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU), der eigentlich ein Freund sein müsste, denn als Christdemokrat könnte er eines Tages die Liberalen zum Schmieden einer Koalition bitten. Mehrfach hat Rülke Strobl als „den Problembären“ von Grün-Schwarz bezeichnet, er empfindet seine Politik als „von Pannen und Pleiten“ geprägt. „Strobl ist mit seinem Amt überfordert. Bei der Digitalisierung hat er nichts zu Wege gebracht, da ist er für das Land ein Standortrisiko.“ Schlimmer noch dürften Rülkes Attacken Strobl beim Thema Innere Sicherheit verletzen. Da sei Strobl zum „Sicherheitsrisiko“ geworden, meint Rülke, und führt als Beispiele das „Staatsversagen“ bei einem misslungenen Abschiebeversuch in Ellwangen sowie Strobls widersprüchliche Darstellung bei der Untersuchung der Massenvergewaltigung von Freiburg auf, wo ein Haftbefehl nicht vollstreckt worden war.

Ein Law-and-Order-Mann, den selbst die Julis okay finden

Rülke gilt als Law-and-Order-Mann, aber dass für ihn als Liberalen die Freiheitsrechte nicht an erster Stelle stehen könnten, weist er zurück: Man könne Freiheitsrechte nur schützen, wenn der Rechtsstaat in diesen vom Terror geprägten Zeiten Stärke zeige. Gefragt, ob er mal Landesinneniminister werden wolle, sagt Rülke nicht Nein: „Ich werde als Fraktionsvorsitzender nicht vor politischer Verantwortung fliehen. Aber das Fell des Bären wird erst verteilt, wenn er erlegt ist.“

Sein Verhältnis zu Theurer sei „seit Jahren“ harmonisch, sagt Rülke. Zwei bis dreimal in der Woche telefoniere man, spreche Themen ab. Der Bundestagsabgeordnete Theurer mischt sich klugerweise nicht ein in die Landespolitik. Darüber, wie es im Bund so läuft, da hat Rülke eine dezidierte Meinung: Er bedauere es, dass Friedrich Merz nicht CDU-Chef geworden sei. „Wir wollen als FDP mal wieder Verantwortung tragen. Das wäre mit Merz besser gegangen als mit Annegret Kramp-Karrenbauer.“ Mit ihr würden Verhandlungen „schwierig“, denn bei AKK vereinigten sich „staatswirtschaftliches Denken und gesellschaftspolitischer Konservativismus“. Und dass Jungpolitiker wie Paul Ziemiak so rasch Karriere in der CDU machten, versteht Rülke nicht: „Das verläuft nach dem Modell: Kreisssaal, Hörsaal, Plenarsaal.“ Rülke, Gymnasiallehrer und in Literaturwissenschaft promoviert, verweist darauf, dass der neue CDU-Generalsekretär sein Studium nicht beendet habe.

Die zwölfköpfige FDP-Fraktion steht geschlossen hinter ihrem Vormann. Eine geheime Abstimmung nach der Sommerpause über den Chef brachte eine einstimmige Zustimmung. „Er muss zuspitzen, um wahr genommen zu werden“, sagt ein Abgeordneter. Selbst die Jungen Liberalen haben ihren Frieden mit Rülke gemacht. Juli-Chef Valentin Abel: „Wir begrüßen es, dass Rülke engagiert und lautstark seine Meinung kundtut. Er macht das gut in der Wirtschafts- und Bildungspolitik und beim Umgang mit der AfD. Wir würden uns aber eine stärkere gesellschaftlich-liberale Profilierung der FDP-Fraktion wünschen.“ Im Sommer kam es zum Zwist zwischen Julis und Rülke in der Frage, ob Fußballspieler die Nationalhymne singen müssen.