Nach einer neuen Forsa-Umfrage sinkt die FDP unter die Fünfprozenthürde – was vor allem mit ihrem schwächelnden Vorsitzenden Philipp Rösler zu tun hat.

Mainz - Schon klar, es wird in der FDP nicht gestritten. Schon gar nicht hier in Mainz, wo Rainer Brüderle die Herbstklausur seiner Bundestagsfraktion zu seinem Heimspiel machte. Bis Freitag tagen dort die Abgeordneten und Brüderle in einem Hotel am Ufer des Rheins, und gleich zu Beginn stellt sich der Fraktionschef vor die Kameras und tut so, als sei die vergangenen Tage nichts gewesen – als ob eine Forsa-Umfrage die Partei nicht bei mageren vier Prozent sieht. Alle seien „sehr guter Stimmung“, man führe „keine Personaldebatten, sondern Sachdebatten“.

 

Um die „Geldwertstabilität“ soll es bis morgen gehen, den Euro also. Auch über Bildung, Praxisgebühr und Rente will man reden. Aber Brüderle kann sich noch so mühen, in den Tuschelrunden werden die Liberalen wieder über ihren Chef Philipp Rösler herziehen, auch wenn ihm vor der Niedersachsenwahl im Januar keiner den Stuhl wegziehen will. Brüderle selbst hat nicht wenig dazu beigetragen. Denn er hat Rösler erneut zum Rückzieher gezwungen. Wieder einmal musste der FDP-Chef klein beigeben, diesmal im Streit über den Vorstoß von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die den Kauf von Steuer-CDs verbieten will. Rösler meinte, sich mit der Justizministerin anlegen zu müssen, der Jeanne d’Arc der Bürgerrechte, wie Brüderle die FDP-Frau einmal genannt hatte. Rösler hätte das besser gelassen.

Das Rest-Imperium schlägt zurück

In der Präsidiumssitzung am Montag hatte er die Idee Leutheusser-Schnarrenbergers gerügt. Anschließend durfte vor Journalisten sein Mann fürs Grobe ran: Generalsekretär Patrick Döring. Der stellte klar, dass er und Rösler die Sache aus der Zeitung erfahren hätten und eine Mehrheit des Präsidiums gegen den Vorstoß der Justizministerin sei. Der Fall war für Rösler erledigt. Aber dann geschah, was zuletzt immer zu beobachten war, wenn Rösler den Chef spielte: Das vom Zerfall bedrohte Rest-Imperium schlug zurück.

Vor allem Brüderle war sauer. Er hatte zunächst alles dafür getan, dass die Klausur nicht zur Abrechnung mit Rösler gerät. Dies zwar nicht, weil er Rösler, der ihm den Posten als Wirtschaftsminister wegnahm, liebgewonnen hätte, sondern weil er selbst noch kein Interesse an Röslers Job hat. Brüderle sicherte den angeschlagenen Rösler nach Kräften ab. Und er muss es deshalb als dreist empfunden haben, dass der unbeliebteste Mann der Regierung ausgerechnet jene Ministerin angriff, die bei der FDP-Basis noch Respekt genießt. Brüderle sprach Leutheusser-Schnarrenberger postwendend frei und stellte Rösler bloß. Schleswig-Holsteins Raubein Wolfgang Kubicki, selbst Rechtsanwalt, folgte wie auf Bestellung, nannte Röslers Vorgehen einen „unerhörten Vorgang“. Und Christian Lindner, einst Rösler-Freund, nun NRW-Chef und Hoffnungsträger, ließ kühl verlauten: „Rainer Brüderle hat recht.“

Genscher versetzt Rösler einen Tiefschlag

Am Ende versetzte auch noch der Übervater der Partei, Hans-Dietrich Genscher, Rösler einen schmerzhaften Schlag. Der 85-Jährige ist wieder rührig geworden, er sieht sein europäisches Erbe aufs Spiel gesetzt, nicht zuletzt durch Rösler, der in markigen Tönen die Griechen verbal schon vor die Tür des Euroraums setzen wollte. Genscher positionierte deshalb Außenminister Guido Westerwelle gegen Rösler, der auf Genschers Geheiß deutlich moderatere Töne in der Griechenland-Frage einschlug und es sicher gern in Kauf nimmt, damit Rösler zu demütigen. Wo der doch Westerwelle vor einem Jahr die Richtlinien in der Außenpolitik diktieren wollte.

Genscher handele wie ein Aushilfsparteichef, sagen sie, so als habe die FDP keinen Vorsitzenden. In einem Interview mit dem Bonner „General Anzeiger“ lobte er vor der Klausur Lindner („imponiert mir“), Brüderle („absoluter Trumpf für die Partei“) und Kubicki. Rösler ignorierte er.

Kehrtwende des Parteichefs im Steuer-CD-Streit

Rösler fühlte sich wieder wie ein hilfloser König matt gesetzt. Er zog den Kopf ein, wie im Griechenland-Streit. Im Interview der Stuttgarter Zeitung vollzog er eine Kehrtwende, stellte sich voll hinter die Justizministerin und ließ später verlauten, er habe sich über die schroffen Einlassungen seines Generalsekretärs gewundert.

Röslers Problem: Es gibt genug in der Partei, die wissen, dass die Sache anders lief. Die sind sich nicht sicher, ob sie angesichts der weiteren verlorenen Machtprobe ihres Chefs lachen oder weinen sollen.