Birgit Homburger bleibt Landeschefin. Sie lässt sich von dem hauchdünnen Wahlsieg nicht beirren und kämpft nun um den Fraktionsvorsitz.  

Berlin - Birgit Homburger ließ sich nicht irritieren. Ob ihr hauchdünner Wahlsieg nicht eine Ohrfeige sei? Aber nein, versicherte die soeben bestätigte FDP-Landeschefin vor jeder Kamera, es sei ein "demokratisches Ergebnis". In einer "solchen Situation" - gemeint war der Machtverlust in Baden-Württemberg - sei ein knapper Ausgang "normal". Genauso oft beteuerte die 45-Jährige, was die glücklich überstandene Zitterpartie für ihre Position als Fraktionschefin in Berlin bedeute: "eine klare Rückenstärkung".

 

Jetzt will sie es auch im Bund wissen. Schon am Dienstag sollen die FDP-Abgeordneten im Bundestag über ihr Schicksal als Fraktionschefin befinden. So jedenfalls hätten es Homburger und der designierte Parteichef Philipp Rösler telefonisch am Sonntag vereinbart. Homburger komme die Verabredung gelegen, sie wolle, dass endlich wieder Ruhe einkehrt in die Regierungsarbeit, hieß es in FDP-Kreisen. Auch Rösler habe ein großes Interesse, mit dem Parteitag am Wochenende in Rostock die an den Nerven zehrenden Personaldebatten ein für allemal zu beenden, hieß es. Soll heißen: es soll eine Entscheidung her, rasch, so oder so. Dass Homburger wieder antritt, scheint sicher. Auch wenn am Sonntag zunächst wenig Gewisses aus den Räumen im Bundestag nach draußen sickerte, in denen die Abgeordneten ab dem Nachmittag in Klausur gingen. Offen blieb zunächst auch, ob ihre Gegner sich in der Kürze der Zeit auf einen Gegenkandidaten einigen können. Diese Tage sind also wahrlich nichts für schwache Nerven.

Ihre Nervenstärke bewahrte Homburger auch bei dem wohl schwierigsten Parteitag ihrer Karriere. "So viel Spannung kriegt man nicht jeden Tag geboten", kommentierte sie launig den Wahlkrimi in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena. Da war nach mehreren Stunden Reden und Aussprache gerade das Ergebnis des zweiten Wahlgangs verkündet worden: 199 Stimmen für sie, 192 für ihren Herausforderer Michael Theurer. Im ersten Durchgang waren beide noch gleichauf gelegen, mit jeweils 180 Stimmen. Alles schien möglich, je nachdem, wie sich Enthaltungen und Neinstimmen verteilen würden. Nun, da sich das Patt zu ihren Gunsten aufgelöst hatte, strahlte Homburger befreit in den Saal. "Ich nehme die Wahl an", verkündete sie ohne jedes Zögern. Nun gelte es, die Partei gemeinsam nach vorne zu bringen.

"Die FDP wird von ihrem Versagen verfolgt"

Ihr haarscharf unterlegener Rivale Theurer gratulierte als einer der ersten, mit einem Strauß gelber Blumen. "Zu 100 Prozent" stehe die Südwest-FDP hinter Homburger, was den Fraktionsvorsitz in Berlin angehe, versicherte der Europaabgeordnete und bisherige Vizevorsitzende generös. Doch als er wenig später erneut als Stellvertreter vorgeschlagen wurde, lehnte er verbindlich, aber bestimmt ab. Seine Begründung gegenüber Journalisten: "nicht bei diesem Führungsstil". Als "autoritär-ausgrenzend" hatte er diesen zuvor in seiner Vorstellungsrede geschildert, für die er mindestens so viel Beifall bekam wie Homburger. Die versuchte, Vorbehalte mit der Ankündigung auszuräumen, sie wolle die FDP "zur attraktivsten Mitmachpartei in Baden-Württemberg machen".

Hätte Theurer in der Frage der künftigen Generalsekretärin nicht etwas unglücklich agiert, befanden etliche Delegierte am Rande, wäre die Wahl womöglich genau umgekehrt ausgegangen. Am Vorabend nämlich hatte Homburger für den neu zu schaffenden Posten die Stuttgarter Rechtsanwältin Gabriele Heise (44) vorgeschlagen. Als Frau, die "mitten im Leben steht" und den Politikbetrieb kenne, solle sie die FDP profilieren helfen. Die von Theurer ins Auge gefasste Kandidatin hatte ihm kurzfristig abgesagt - also signalisierte er, ebenfalls mit Heise zusammenarbeiten zu wollen. Sein Pech: die Juristin stand nur Homburger zur Verfügung, was deren Befürworter zu diversen Sticheleien nutzten. Für die amtierende Landeschefin legten sich auffällig viele Mandats- und Funktionsträger ins Zeug, während Theurer eher von einfachen Delegierten Zuspruch erhielt.

In der Analyse der Wahlniederlage wurden viele Redner deutlicher als die beiden Kandidaten für den Landesvorsitz. Immer wieder geißelten sie den Wiedereinstieg des Landes beim Energiekonzern EnBW, den Ministerpräsident Stefan Mappus unter Umgehung des Landtags eingefädelt hatte. Damals hätte man demonstrieren können, "warum es die FDP braucht", beklagte der Jungliberalen-Chef Jens Brandenburg. Bis heute könne er nicht verstehen, warum diese "riesengroße Chance" vertan wurde. Ein politischer "Super-Gau" für die liberale Glaubwürdigkeit sei die Verstaatlichung, kritisierte ein anderer Redner. Noch lange, hieß es warnend, werde die FDP von ihrem Versagen verfolgt.

Homburger tadelt Schmids Superministerium

Donnernden Applaus erntete der frühere Landeschef Walter Döring, als er erklärte, man könne ein Fünf-Milliarden-Geschäft doch nicht "am Parlament vorbei durchwinken". Für seine kurze, kämpferische Rede bekam Döring den weitaus stärksten Beifall des Parteitags. Nun gelte es Grün-Rot anzugreifen, ermunterte er die Delegierten. Das Ziel: "In fünf Jahren hauen wir Euch vom Acker."

Die für den EnBW-Deal Gescholtenen reagierten unterschiedlich. Der Spitzenkandidat und Nochjustizminister Ulrich Goll, der womöglich als einziger Liberaler vorab eingeweiht war, verteidigte sich trotzig: Es sei um die Sicherung von 20.000 Arbeitsplätzen gegangen, da hätte auch der einstige FDP-Premier Reinhold Maier nicht gezögert. Bei einem "Nein" hätte man die Liberalen wieder der "sozialen Kälte" geziehen. Homburger verwies darauf, dass sie nicht vorab informiert gewesen sei, Parteifreunde aber auch nicht öffentlich habe kritisieren können. In einem Interview habe sie immerhin mehr Sensibilität gegenüber dem Parlament gefordert - und sich damit bei der CDU mächtig Ärger eingehandelt. "Zu zurückhaltend" sei man auch bei der Aufarbeitung des Polizeieinsatzes im Schlossgarten gewesen, bekannte sie selbstkritisch - ein Thema, das ebenfalls etliche Delegierte ansprachen.

Angesichts der ausgiebigen Rückschau trat die Auseinandersetzung mit der grün-roten Koalition ziemlich in den Hintergrund. Kritisch, aber konstruktiv werde man diese als Opposition begleiten, kündigte Homburger an. Letzteres zum Beispiel, wenn es um die geplante Direktwahl der Landräte gehe oder um die Senkung der Hürden für einen Volksentscheid. Mit Widerstand müsse die Regierung Kretschmann dagegen in der Bildungspolitik, beim Schuldenmachen und bei Steuererhöhungen rechnen. Scharf tadelte die FDP-Chefin auch den Zuschnitt des neuen Superministeriums von SPD-Chef Nils Schmid: Im gemeinsamen Ressort für Wirtschaft und Finanzen sitze der Mittelstand künftig "am Katzentisch".

Die neue Generalsekretärin Heise richtete den Blick derweil noch weiter nach vorne. "Immer wieder kommt ein neuer Frühling, immer wieder kommt ein neuer März", zitierte sie hoffnungsfroh ein Kinderlied. Im März 2016, so ihre Botschaft, könne die liberale Welt schon wieder ganz anders aussehen.

Neue Spitze der Südwest-FDP

Generalin: Mit fast 79 Prozent der Stimmen wurde Gabriele Heise (44) in das neu geschaffene Amt des Generalsekretärs gewählt. Die Stuttgarter Rechtsanwältin und Mutter von zwei kleinen Kindern hatte bei der Landtagswahl im Filderwahlkreis kandidiert, war mit 7,1 Prozent der Stimmen jedoch nicht ins Parlament gekommen. Vor dem Umzug nach Stuttgart war Heise, gebürtige Hagenerin, bis 2006 Vizechefin der Berliner FDP – eine „ziemlich harte Schule“.

Vorstand: Die drei bisherigen Stellvertreter von Birgit Homburger – der Europaabgeordnete Michael Theurer, Nochminister Ulrich Goll und der Bundestagsabgeordnete Ernst Burgbacher – traten nicht mehr an. Neu gewählt wurden die Bundestagsabgeordneten Hartfrid Wolff und Florian Toncar sowie der Mannheimer Gemeinderat Volker Beisel. Schatzmeister bleibt der Bundestagsabgeordnete Michael Link.