Die offizielle Präferenz der Bundes-FDP ist eine Jamaika-Koalition. Baden-Württembergs FDP-Chef Theurer will aber Gespräche mit allen Parteien des demokratischen Spektrums.

Stuttgart - Die Südwest-FDP hat laut ersten Hochrechnungen eine Ergebnis über 15 Prozent bei der Bundestagswahl erzielt. Das entspricht der vom FDP-Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Michael Theurer avisierten Wahlziel von 15 plus X. Im Interview schildert er, wie es jetzt weiter geht.

 

Herr Theurer, ein im Bundesvergleich überdurchschnittliches Ergebnis für die Landes-FDP – was bedeutet dies für die Position der Südwest-Liberalen?

Das Ergebnis ist sensationell, wir haben deutlich zugelegt und einen wesentlichen Beitrag zum Gesamterfolg unserer Partei geleistet. Baden-Württemberg ist und bleibt das Stammland der Liberalen. Wir werden als Landesgruppe gestärkt in den Bundestag einziehen und unsere Themen dort voranbringen – das Entlasten, Entfesseln und Investieren der mittleren und kleineren Unternehmen sowie ihrer Beschäftigten. Ich gehe davon aus, dass die FDP mit allen Parteien des demokratischen Verfassungsbogens Gespräche über die Bildung einer Regierung führen wird.

Sind Sie sicher, dass der Aufwind für die Liberalen nicht in erster Linie dem Corona-Effekt zu verdanken ist – der Unzufriedenheit von Bürgern und Bürgerinnen über freiheitsbeschränkende Maßnahmen – also einem sicherlich befristeten Phänomen?

Ich bin mir sicher, dass in der Pandemie vielen Menschen der Wert der Freiheitsrechte noch einmal vor Augen geführt worden ist. Aber in der Krise ist auch die Notwendigkeit zur Erneuerung sichtbar geworden. Wir hatten doch Ende 2019 bereits rezessive Tendenzen. Wir haben im Wahlkampf mit unseren Themen gepunktet, wie wir den Standort attraktiver machen und die Wettbewerbsfähigkeit sichern, wie wir die Digitalisierung voranbringen, unsere Stichworte waren Technologieoffenheit, der grüne Wasserstoff, ein zukunftsfähiger Verbrenner-Motor. Bei all den Themen will die FDP Baden-Württemberg mehr Tempo machen.

Wie soll es jetzt weitergehen? Sie selbst gelten vielen als Freund von Rot-Gelb-Grün – also einer Ampel – Ihr Bundesvorsitzender Christian Lindner gilt eher als Sympathisant für Jamaika. Welches Modell befürworten Sie nun?

Wir haben eine Präferenz für Jamaika erkennen lassen, aber ich halte es für notwendig, dass wir mit allen Parteien des demokratischen Spektrums Gespräche führen. Es ist wichtig, jetzt eine stabile Regierung zu bilden und die Agenda für ein Arbeitsprogramm zu setzen, dass in vier Jahren abgearbeitet wird.

Das schlechte Abschneiden der Union – ist dass nicht ein klarer Fingerzeig, dass die Wähler die CDU nicht mehr als führende Kraft im Kanzleramt haben wollen?

Nun gut, die Umfragen hatten zum Teil noch schlechter ausgesehen als das Ergebnis. Es hat ja dann eine Aufholjagd der Union gegeben, in der mit harten Bandagen gekämpft worden ist. Ich denke, nach 16 Jahren der CDU im Kanzleramt sind bei der Union gewisse Ermüdungserscheinungen eingetreten. Dann hatte Laschet ja auch Startschwierigkeiten, da war die verspätete Wahl zum Parteivorsitz, dann gab es da die Querschläge aus München. Das sind alles Punkte, die in der Union wohl aufgearbeitet werden müssen.

Der FDP-Fraktionschef im Landtag – Hans-Ulrich Rülke – hat schon darauf hingewiesen, dass Steuererhöhungen oder ein Aufweichen der Schuldenbremse mit der FDP nicht zu machen seien. Ist so eine offensichtliche und frühe Ablehnung von einer Koalition mit der SPD sinnvoll?

Das sind für uns harte Bedingungen, dass die Schuldenbremse eingehalten wird – wenngleich es da eine Ausnahmeregel gibt – und wir werden erneuten und neuen Steuererhöhungen auch nicht die Hand reichen.