Die Delegierten beim digitalen FDP-Parteitag wählen Christian Linder erneut zum Vorsitzenden der Liberalen. Für die Bundestagswahl geht er als Spitzenkandidat ins Rennen.

Berlin - Rund vier Monate vor der Bundestagswahl hat FDP-Chef Christian Lindner die Liberalen auf ein gutes zweistelliges Ergebnis und eine anschließende Regierungsbeteiligung eingeschworen. „Unser Wahlziel ist, so stark zweistellig zu werden, dass sowohl schwarz-grüne als auch grün-rot-rote Mehrheitsbildungen ausgeschlossen sind“, sagte er am Freitag in Berlin beim digitalen FDP-Parteitag. „Unser Ziel ist es, dass Deutschland weiter aus der Mitte regiert wird.“ Liberale Ideen müssten den weiteren Weg Deutschlands mitprägen.

 

Der Parteitag bestätigte Lindner mit 93 Prozent als Vorsitzenden und nominierte ihn zugleich als Spitzenkandidaten für die Wahl am 26. September. Für den 42-Jährigen stimmten 534 von 576 Delegierten. Es gab 31 Nein-Stimmen und 11 Enthaltungen. Das Ergebnis muss nun noch durch eine Briefwahl bestätigt werden.

FDP will über das Wahlprogramm beraten

Zur Eröffnung des Parteitags gab Vizeparteichef Wolfgang Kubicki als Wahlziel aus, das 2017er Ergebnis von 10,7 Prozent zu übertreffen. Sein persönliches Ziel sei es, dass die Freien Demokraten drittstärkste Kraft werden. „An unsere Sportfans: Wir wollen aufs Treppchen.“ Derzeit liegt die FDP in den Umfragen bei 11 bis 12 Prozent und damit nicht mehr weit weg von der SPD, die bei etwa 15 Prozent steht.

Die FDP will bei ihrem digitalen Parteitag auch das Wahlprogramm beraten und beschließen. Corona-bedingt mussten die Delegierten den Parteitag von zu Hause aus verfolgen. In Berlin versammelte sich nur das FDP-Präsidium, das Tagungspräsidium und Organisationspersonal.

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Bei der Bundestagswahl stünden im Grunde zwei politische Konzepte zur Auswahl, sagte Lindner. „Die einen setzen auf mehr Staat, mehr Umverteilung, mehr Bürokratismus, mehr Anmaßung von Wissen auch in der Politik.“ Dies sei nicht die Vorstellung der FDP. „Unser Weg also ist, nicht immer mehr den Staat in die Verantwortung zu nehmen, sondern den Menschen zu vertrauen und ihnen auch wieder Freiheit zu geben.“

Lindner: Klima- und Energiepolitik planwirtschaftlich

Lindner forderte in seiner gut einstündigen Rede ein flexibles Renteneintrittsalter, gute Bildungschancen für alle Kinder und einen „aufstiegsorientierten Sozialstaat“. Steuererhöhungen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise erteilte er eine scharfe Absage. „Das wird es mit uns Freien Demokraten nicht geben.“ Im Gegenteil wolle die FDP die Wirtschaft von Hemmnissen befreien und die Gesellschaft bis in die qualifizierte Mitte hinein entlasten. „Es ist die Marktwirtschaft, die die Pflöcke einschlägt, an denen das soziale Netz aufgehangen wird. Es ist die Marktwirtschaft, die die Mittel bereitstellt, die wir danach investieren können in Digitalisierung und Klimaschutz“, sagte er.

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Beim Klimaschutz warf der FDP-Chef SPD und Union vor, sich mit neuen Vorschlägen gegenseitig zu überbieten und sich dabei von den Grünen treiben zu lassen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz sollte zum Anlass genommen werden, um „die Klimapolitik einer Generalinventur zu unterziehen“. Lindner kritisierte Subventionen und Verbote in der Klimapolitik. „Im Ergebnis sind wir jetzt in der Klima-, auch in der Energiepolitik planwirtschaftlich verkantet und technologisch festgefahren.“

Scharfe Kritik an der Corona-Politik

Ein „Weiter so“ sei die größte Gefahr für die Zukunft in Deutschland, betonte Lindner. Größte Herausforderung sei es, dass im deutschen Bildungssystem für einen Erfolg und Aufstieg noch immer die Herkunft, der Zufall der Geburt, eine Rolle spiele. „Denjenigen, die überhaupt noch etwas erreichen wollen, denen müssen wir die Hürden reduzieren.“

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Lindner und sein Vize Kubicki kritisierten scharf die Corona-Politik der Bundesregierung. „Es wurden Grundrechtsbeschränkungen eingeführt, von denen die Bundesregierung selbst nie richtig erklärte, ob diese Beschränkungen überhaupt ihren Zweck erfüllen können“, sagte Kubicki. Die FDP habe sich anhören müssen, mit ihrer Kritik verantwortungslos und populistisch zu sein. „Wenn die Verteidiger der Freiheit und des Rechtsstaats mit Populisten verglichen werden, dann sollte uns das nicht irritieren“, betonte Kubicki. Es sollte vielmehr Ansporn sein, noch mehr für Freiheit und Rechtsstaat zu streiten. „Wenn das Populismus ist, dann will ich Populist sein.“