Die FDP-Abgeordneten bereiten sich auf die letzte Phase der Legislaturperiode vor: Parteichef Rösler wird nicht offen attackiert – hat aber im Vergleich zu Fraktionschef Brüderle auch nicht viel zu sagen.

Mainz - Was für eine schrecklich nette Familie. Auf der Sonnenterrasse des Favorite-Hotels sitzen die Granden der FDP und tun so, als sei nichts gewesen, als seien all die Berichte von Streit und Missgunst nichts als Hirngespinste. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sitzt da neben FDP-Chef Philipp Rösler, Guido Westerwelle hat sich dazugesellt, Dirk Niebel auch. Sie plauschen, nippen an ihren Kaffeetassen, lächeln in die Kameras. Können diese Bilder lügen?

 

Sie können. Nichts ist geregelt in dieser Partei, ein instabiles, fragiles Gebilde ist der kleine Regierungspartner, aber auf der Klausur in Mainz gehen die führenden Figuren miteinander immerhin so um, als hätten sie sich vorerst auf einen Waffenstillstand geeinigt. Fraktionschef Rainer Brüderle hatte die Losung ausgegeben: Keine Gewalt! Keine Abrechnung mit dem in der Partei wegen diverser rätselhafter Manöver in Ungnade gefallenen Rösler, weil das ja zum jetzigen Zeitpunkt nach übereinstimmender Lesart bedeuten würde, dass Brüderle übernehmen müsste. Und das will der Pfälzer nicht, er will bis zur Landtagswahl in Niedersachsen im Januar in Deckung bleiben. Was danach passiert, hängt vom Wahlergebnis ab. Es ist jedenfalls für Brüderle und den anderen Hoffnungsträger, NRW-Chef Christian Lindner, von Vorteil, dass Rösler den Kopf hinhalten müsste, wenn es nichts wird mit dem Einzug in den Landtag.

Die 93 Abgeordneten hielten sich an die Vorgabe des Hausherren, die Revolte ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Parlamentarier haben derzeit ohnehin noch ganz andere Sorgen. In den Ländern werden die Listen für die Bundestagswahl aufgestellt. An diesem Wochenende beginnt in Rheinland-Pfalz die parteiinterne Reise nach Jerusalem, der Kampf der vielen um die wenigen aussichtsreichen Listenplätze. Berlin ist da für kurze Zeit sehr weit.

Der Galgenhumor ist nicht abhanden gekommen

Die aktuellen Querelen an der Parteispitze werden von vielen mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Die erfolglose Intervention von Parteichef Philipp Rösler gegen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die den Ankauf von Steuer-CDs verbieten will, hat die Abgeordneten vielleicht frustriert, aber ganz sicher nicht überrascht. Sie wissen, was sie von ihrem verunsicherten Parteichef zu erwarten haben. Immerhin ist ihnen der Galgenhumor noch nicht abhandengekommen. Als am ersten Abend ein Schiff mit den Abgeordneten an Bord auf große Rheinfahrt nach Bingen ablegte und die Ansage die Runde machte, dass es sich dabei um einen Dampfer der Roessler-Linie handle, machten allerhand Titanic-Witze die Runde. Und auch die Frage, ob nicht bei der Gelegenheit der eine oder andere Mann über Bord gehen sollte, wurde kontrovers diskutiert. Letztlich verlief die Schifffahrt dann aber doch ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Am zweiten Abend hatte Brüderle nach diversen Diskussionsrunden zum Thema Euro in Mainz ein Weingut reservieren lassen. Seinen lageunangepasst gut gelaunten Gästen versicherte er, dass man nach fünf Gläsern Riesling auch von hier aus die Loreley sehen könne. Weit weniger harmlos war sein überschwängliches Lob für Leutheusser-Schnarrenberger, die er abermals Jeanne d’Arc der Bürgerrechte nannte. Jeder im Saal wusste das zu deuten. Aber Rösler, der im Streit mit der Ministerin den Kürzeren zog, lächelte, als sei nichts gewesen. Der Parteichef fand in Mainz ansonsten kaum statt. Er war bemüht, Brüderles Kreise nicht zu stören, hastete durch die Gänge, als sei er sich nicht sicher, ob er auch wirklich willkommen ist. Ein kurzes Statement des Vizekanzlers zur Anleihen-Entscheidung der Europäischen Zentralbank, das war alles, was man von Rösler zu hören bekam. So als habe er schon akzeptiert, dass die Nummer eins in der Partei an einen anderen vergeben ist.