Angelique Kerber spielt im Fedcup gegen Australiens Samantha Stosur – und rechnet sich gute Chancen aus. Denn sie ist vom hadernden Talent zur Topspielerin aufgestiegen.

Stuttgart - Die Großeltern von Angelique Kerber sind natürlich auch ihre größten Fans. Jede Partie ihrer Enkelin verfolgen  die beiden, die in Polen leben, im Internet oder im Fernsehen. Live  dabei waren sie bei Tennisspielen der  24-Jährigen allerdings seit neun Jahren nicht mehr. Doch am Samstag wird sich das ändern. Und Kerbers Großeltern haben sich dafür eine wirklich  vielversprechende Partie und einen  besonderen  Anlass ausgesucht. Denn wenn sie am Samstag (12 Uhr/Eins Plus) auf der Tribüne in der Stuttgarter Porsche-Arena sitzen, ruhen die großen Hoffnungen des deutschen Fedcup-teams gegen Australien auf  der Kielerin. Es geht um den Verbleib in der Weltgruppe, und Kerber bestreitet das Auftaktspiel gegen Australiens Nummer eins, die Weltranglistenfünfte und US-Open-Siegerin Samantha Stosur.

 

„Das wird natürlich eine Drucksituation“, sagt die deutsche Teamchefin Barbara Rittner. „Aber Angie ist den Druck gewohnt, sie ist gewappnet.  Sie besitzt zurzeit so viel Selbstvertrauen, dass sie die Partie ganz ruhig angehen kann.“ Dieses große Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr. Es erhielt einen enormen Schub  im September 2011: Da erreichte Kerber als damals 92. der Weltrangliste völlig überraschend das Halbfinale der US-Open und verlor erst in drei Sätzen – gegen   Stosur.

Siege gegen Scharapowa und Wozniacki

Fortan wuchs ihr Selbstbewusstsein weiter und weiter, besonders in den vergangenen Monaten. Kerber gewann im Februar in Paris ihr erstes Turnier und besiegte dabei Topspielerinnen wie Maria Scharapowa und Marion Bartoli. Und erst vor einer Woche feierte sie ihren zweiten Turniererfolg. In Kopenhagen setzte sie sich im Finale gegen die Nummer sechs der Welt, Caroline Wozniacki, durch.

Diese eindrucksvolle Bilanz hat sie in der Rangliste auf die bisher höchste Platzierung ihrer Karriere katapultiert: 14. Und sie hat Kerber in die ungewohnte Position der Anführerin im deutschen Fedcupteam befördert. Obwohl sie vor einem Jahr, als Rittners Mannschaft gegen die USA in die Weltgruppe aufstieg, gar nicht dabei war. Aber nun hat Andrea Petkovic (Elfte) eine  dreimonatige Verletzungspause hinter sich und wurde deshalb am Freitag auch nicht für die Einzel nominiert. Sabine Lisicki (13.) muss wegen einer Knöchelblessur auf die Relegationspartie  verzichten. Und Julia Görges, die heute das zweite Einzel gegen Jarmila Gajdosova bestreiten wird, liegt in der Weltrangliste  zwei Plätze hinter Kerber.

Wende nach Wimbledon

Wie kommt die Linkshänderin nun also mit der neuen Situation klar? „Sehr gut, denn ich weiß, ich kann wirklich jede Spielerin schlagen“, sagt sie. „Dadurch vertraue ich mir mehr.“ Dass sie ein kreatives Handgelenk und das Gefühl dafür besitzt, „die Bälle völlig überraschend rauszuhauen“, wusste Kerber schon immer. Zudem zählen zu ihren Stärken, dass sie die Tennisbälle hart, genau und flach über das Netz schlagen kann und somit ihre Gegnerinnen gut laufen lässt. Doch wirklich voran, ganz nach oben in der Weltrangliste,  ging es für sie lange nicht. Den Tiefpunkt erlebte sie im vergangenen Juni in Wimbledon, sie schied in der ersten Runde gegen die damals 17-jährige Engländerin Laura Robson aus. Es war ihre elfte Erstrundenniederlage der Saison, und „das schlechteste Match meiner Karriere“.

Bessere Fitness, stärkere Psyche

Danach dachte sie sogar daran, mit dem Tennisspielen aufzuhören. „Ich war  vollkommen fertig und niedergeschlagen“, sagt Kerber. Ihre Familie schaffte es, sie wieder aufzurichten. Und von dem Moment an stand für sie fest: „Ich muss etwas ändern.“ Auf den Rat von Andrea Petkovic trainierte sie mit ihr in der Tennisakademie von Alexander Waske und Rainer Schüttler in Offenbach. „Dort habe ich Disziplin gelernt“, betont Kerber. Wenn sie vorher zwei Wochen hart trainiert hatte, dachte sie, das reiche für die nächsten Monate. „Ich musste erst einmal lernen, richtig zu trainieren.“

Ihren Aufstieg führt sie deshalb auch zu großen Teilen auf die bessere Fitness zurück – und  ihre stärkere Psyche. Auch in diesem Bereich holte sie sich Hilfe, auch mit Unterstützung von Petkovic. Wie die Darmstädterin  arbeitet Kerber nun  mit dem Mentaltrainer Holger Fischer zusammen. „Ich bin offener und freier geworden“, sagt sie. Die  Ängste  zu scheitern, die sie früher oft belasteten, hat sie dadurch  weggewischt. „Denn ich weiß, ich mache das alles nur für mich.“ Dafür beschäftigen sich ihre Gegnerinnen immer intensiver mit ihr, auch Stosur sagte am Freitag: „Es ist wirklich richtig hart, gegen sie zu spielen.“

Auslosung: Kerber – Stosur (12 Uhr), Görges – Gajdosova. Morgen: Görges – Stosur (12 Uhr), Kerber – Gajdosova, Doppel: Petkovic/Grönefeld – Stosur/Dellacqua.

Porsche-Tennis-Grand-Prix: Am Samstag beginnt auch die Qualifikation des WTA-Turniers. Die Spiele finden in der Schleyerhalle statt.