Die Stadt Freiberg am Neckar möchte etwas gegen die Wohnungsnot tun. Die Naturschützer vom BUND protestieren dagegen. Im Rathaus ist man das bereits gewohnt.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Freiberg am Neckar - Nicht nur in den großen Städten herrscht Wohnungsnot, auch in kleineren Gemeinden rund um Stuttgart sind die Listen mit Familien, die eine Wohnung suchen, lang. Auch in Freiberg am Neckar. Für das 16 000 Einwohner große Städtchen sprechen gute Einkaufsmöglichkeiten und die S-Bahn-Anbindung – nach Stuttgart braucht man nur etwas mehr als 20 Minuten, nach Ludwigsburg gerade einmal sechs. Es gibt jede Menge Kindergärten und eine Gesamtschule. Dementsprechend groß ist die Nachfrage.

 

Die Stadt hat deshalb nun zwei neue Baugebiete am Stadtrand ausgewiesen, eines ganz im Süden von Freiberg, das andere im Stadtteil Geisingen in der Nähe des Neckars. Wie beinahe überall, wo gebaut wird, regt sich dagegen Widerstand. Der BUND hat sich – weit bevor auch nur ein Bagger bestellt wurde – positioniert. Wenig überraschend lehnen die Naturschützer den Gemeinderatsbeschluss ab.

Wohnungen für Gutbetuchte?

Der BUND führt ins Feld, dass ohnehin knappe landwirtschaftliche Flächen verloren gingen, wichtige Frischluftschneisen, würden zugebaut, außerdem entstehe zwangsläufig mehr Verkehr, da die Gebiete nicht gut erschlossen seien. In Geisingen in der Nähe des Neckars werde Lebensraum von Tieren zerstört und die Obstsortenvielfalt leide. „Es ist damit zu rechnen, dass die Bauträger keine Sozialwohnungen, sondern wie gewöhnlich Luxuswohnungen erstellen, die so teuer sind, dass sie für die durchschnittlichen Wohnungssuchenden unerschwinglich sind“, schreibt der BUND.

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Was in den beiden ausgewiesenen Gebieten entsteht, ist aber noch längst nicht beschlossen. „Wir wissen noch nicht einmal, ob dort überhaupt je gebaut wird“, sagt der Erste Beigeordnete, Stefan Kegreiß. Dass der Gemeinderat den Bebauungsplan im vergangenen Dezember trotzdem relativ schnell geändert hat, war im Baugesetzbuch begründet. Bis Ende 2019 konnten Flächen unter 10 000 Quadratmeter, die sich direkt an einen Ortsteil anschließen, in einem „beschleunigten Verfahren“ als künftige Wohngebiete ausgewiesen werden. Die finale Entscheidung, dass dort gebaut wird, muss bis spätestens Ende 2021 fallen. Etwas weniger als zwei Jahre bleiben also noch.

Der BUND fordert, erst zu überprüfen, wo es Leerstände in Freiberg gibt, und bestehende Baulücken zu nutzen. Für den ersten Vorschlag gebe es leider keine rechtliche Grundlage, sagt Kegreiß. Vor einigen Jahren habe die Stadt einen Leerstandskataster angelegt, die Rückmeldungen der Besitzer seien aber ernüchternd gewesen. Von 120 Befragten gab lediglich ein einziger an, dass die Stadt Interessenten für seine leer stehende Immobilie suchen dürfe. Aber auch er zog sein Angebot nach kurzer Zeit zurück. „Leerstand ist ein tatsächliches Problem, aber wir haben keine Lösung“, so Kegreiß.

Stadt sucht nach Baulücken

In den vergangenen knapp 20 Jahren seien an vielen Stellen in der Stadt offene Baulücken geschlossen worden, sagt Kegreiß. Beispielsweise an der Stuttgarter Straße, gegenüber der Kasteneckschule oder derzeit an der Brücke in Richtung Pleidelsheim, wo Sozialwohnungen entstehen. „Wir werden damit auch weitermachen, wenn wir Flächen haben.“ Auch bei Bauvorhaben innerhalb der Ortschaft habe sich der BUND beschwert. „Die wollen meiner Meinung nach einfach maximalen Druck aufbauen“, sagt der Erste Beigeordnete. Er verspricht, dass die ökologischen Aspekte vor der Bebauung geprüft werden. Und noch ein Argument des BUND weist Kegreiß zurück: Es stimme nicht, dass sich die Stadt mit dem Neubau der Oscar-Paret-Schule verschuldet habe und nun versuche, Bauplätze teuer zu verkaufen. „Ja, wir müssen Schulden machen. Aber das ist noch nicht erfolgt.“