Unternehmen suchen händeringend Wohnungen für Mitarbeiter. Die Firma EgeTrans schafft in Marbach nun sogar selbst neue Einheiten, die IHK sieht die Politik am Zug.

Selbst ist der Mann, oder in dem Fall: das Unternehmen. Weil Wohnraum knapp ist und Mitarbeiter nur schwer ein günstiges Dach über dem Kopf finden, wird der Marbacher Logistiker EgeTrans selbst aktiv und erweitert nicht nur den Firmensitz am Neckar, sondern lässt bei der Gelegenheit gleich noch 20 Wohnungen für Angestellte errichten. EgeTrans übernimmt damit eine Vorreiterrolle. Doch andere Unternehmen springen ebenfalls zunehmend auf diesen Zug auf – wenn auch eher notgedrungen.

 

Bezahlbare Wohnung ein Argument bei der Anwerbung

Freiwillig denke „niemand über Werkswohnungen nach, gezwungenermaßen jedoch schon“, sagt Anke Seifert, Pressesprecherin der IHK Region Stuttgart, und erinnert an den angespannten Fachkräftemarkt, bei dem das Thema bezahlbares Wohnen „einer der relevantesten Standortfaktoren“ sei. Wenn also „ein Betrieb potenziellen Beschäftigten eine Wohnung zu bezahlbaren Mietpreisen anbieten kann, liegt es nahe, dass dies ein guter Grund sein könnte, dass sich Bewerber für diesen Betrieb entscheiden“, erläutert Seifert.

Signale aus der Belegschaft

Davon geht auch Peter Steinmüller, Seniorchef von EgeTrans, aus. Vor allem, wenn man wie der Logistiker aus einem relativ überschaubaren Reservoir an potenziellen Mitarbeitern schöpfen muss, liegt doch die größte Expertise in der See- und Luftfracht. „Suchen Sie mal Leute, die in Stuttgart in der Seefracht versiert sind, die finden Sie in Hamburg oder Bremen leichter“, sagt Steinmüller. Wolle man jemanden einen Umzug in hiesige Gefilde schmackhaft machen, müsse man dem- oder derjenigen zum Beispiel eine bezahlbare Wohnung zur Verfügung stellen. Doch auch aus dem bestehenden Team heraus habe man das Signal erhalten: Wir haben Probleme, Räumlichkeiten zu finden, die das Budget nicht sprengen.

Davon abgesehen gebe es Kollegen, die nur temporär in Marbach beschäftigt sind, weil sie anschließend zum Beispiel in die EgeTrans-Niederlassung in die USA wechseln. Diesen Angestellten könne man künftig ebenfalls eine schnelle Lösung ohne langwierige Suche anbieten.

700 Wohnungen im Pool der Kliniken

Geradezu unverzichtbar ist ein eigener Immobilienpool für die Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim. „Das Angebot für Wohnraum ist ein bedeutsamer Erfolgsfaktor zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern. Daher verfügen die Kliniken im Landkreis Ludwigsburg über rund 700 Einheiten, vom Appartement bis zur Mehrzimmerwohnung“, berichtet Pressesprecher Alexander Tsongas. Seit geraumer Zeit sei man bemüht, das Portfolio zu erweitern.

Nähe zum Krankenhaus ist wichtig

Der Klinikensprecher streicht allerdings heraus, dass man bei der Standortwahl eingeschränkt sei. In einem Krankenhaus herrsche rund um die Uhr Betrieb, was ungewöhnliche Dienstzeiten mit sich bringe. Insofern müssten sich die Wohnungen im Umfeld der Kliniken befinden oder zumindest so liegen, dass sie sich gut ins Radwegenetz einfügen. Denn die Nutzung des ÖPNV sei für die rund 5000 Beschäftigten nicht mehr attraktiv, wenn sie zum Beispiel schon sehr früh antreten müssten.

Sprecher sieht die Politik in der Pflicht

Tsongas macht aber auch deutlich, dass man bei dem Thema an Grenzen stoße. „Die Politik ist darin gefordert, dass Klinikgesellschaften und deren Träger günstige Wohnangebote finanzieren dürfen. Der Erwerb zu Marktpreisen und die Weitervermietung an die Klinikbelegschaft ist kaum darstellbar“, erklärt er. Dabei gehörten günstige Wohnangebote „mittlerweile zur Grundlage der Aufrechterhaltung des Klinikbetriebes, insbesondere im Speckgürtel von Stuttgart“.

Schnellere Genehmigungsverfahren gewünscht

Die IHK sieht ebenfalls Handlungsbedarf. Es müssten Baugebiete ausgewiesen werden, „auch interkommunal und mit Blick auf eine gute Verkehrsanbindung, vorrangig an den ÖPNV“, findet Sprecherin Anke Seifert. Außerdem solle bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Wichtig wäre aus ihrer Sicht ferner, die Verfahren zur Baugenehmigung zu beschleunigen. Überdies würde man sich eine regionsweite Gesamtstrategie wünschen, „wie dem anstehenden und sich verschärfenden Wohnraumproblem und der Knappheit an Gewerbeflächen in der Region Stuttgart insgesamt wirksam und vor allem zeitnah entgegengetreten werden kann“.

Bis dahin legen die Unternehmen aber nicht die Hände in den Schoß, sondern gehen selbst unter die Bauherrn und Vermieter. „Von größeren Firmen ist uns bekannt, dass sie tatsächlich an Bauprojekte größeren Ausmaßes denken und auch in konkreten Planungen sind“, teilt Seifert mit. Aber gerade auch kleinere und mittelständische Unternehmen suchten Lösungen. „So kennen wir Fälle, in denen in einer Mischung aus Kapitalanlage und Sozialaspekt Wohnungen gebaut wurden“, erklärt die IHK-Sprecherin. Häufig würden mittlerweile Räumlichkeiten für Mitarbeiter in Boardinghäusern angemietet, also hotelartigen Gebäuden, die für längere Aufenthalte konzipiert sind.

Denn die Bauherrenschaft habe ihre Tücken, gibt Seifert zu bedenken und erinnert an den hohen Aufwand und die bürokratischen Mühlen. Zudem sei bei vielen Unternehmen durch die Coronakrise die Eigenkapitaldecke geschmolzen, während Kredite sich verteuert hätten.

Zwischen Wohnen, Arbeiten und Umweltschutz

Motto
EgeTrans erweitert momentan seinen Firmensitz an der Landesstraße zwischen Marbach und Ludwigsburg. Das Projekt steht unter dem Motto „Wohnen und Arbeiten am Wasser“. Eines der beiden neuen Gebäude bietet Büroflächen, direkt daneben entsteht ein achtgeschossiges Gebäude mit 20 Wohnungen verschiedener Größe.

Fußläufig
Die Wohnungen sollen verbilligt an Mitarbeiter vermietet werden. EgeTrans hatte zuletzt einen gewaltigen Zuwachs an Angestellten, die Zahl in den vergangenen Jahren auf insgesamt 230 ungefähr verdoppelt. Seniorchef Peter Steinmüller ist bei all dem auch der Umweltgedanke wichtig, wie er sagt. Denn wohnten die Mitarbeiter auf Tuchfühlung zu ihrem Arbeitsplatz, könnten sie umweltfreundlich zu Fuß dorthin gelangen.