Alles andere als ein Kompliment: Der Wetterschutz für die Feierhalle auf dem Friedhof in Stuttgart-Birkach hat es ins Schwarzbuch geschafft. Der Bund der Steuerzahler bezeichnet den Ausbau und die Nachrüstungen als „richtig skurril“. Nicht jeder teilt diese Ansicht.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Birkach - Irgendwann macht mich das Ding noch verrückt“, entfährt es Rolf Lehmann als er hört, dass es die Birkacher Feierhalle nun ins Schwarzbuch geschafft hat. Dabei handelt es sich nämlich keinesfalls um eine begehrte Auszeichnung. Der Bund der Steuerzahler trägt jedes Jahr Fälle von Steuergeldverschwendung zusammen, teils sind diese haarsträubend. „So ganz verstehe ich die Kritik an der Feierhalle aber nicht“, meint Rolf Lehmann. Der ehemalige Stuttgarter Wirtschaftsbürgermeister und Birkacher hatte lange für eine würdige Aussegnungshalle auf dem Friedhof gekämpft – und findet, dass die Ausbesserungen an dem Unterstand aus den vergangenen Monaten durchaus zufriedenstellend seien.

 

Obwohl in der sogenannten Feierhalle im Jahr 2018 lediglich neun Bestattungen ausgerichtet wurden, polarisierte der Unterstand auf Stelzen zuletzt wie kaum ein anderes Thema im zweitkleinsten Stadtbezirk Stuttgarts. Weil sich Bürger und Lokalpolitiker so massiv über die Aussegnungshalle beschwert hatten, machte der Gemeinderat Ende 2017 schließlich 60 000 Euro für einen Umbau locker. Mit eingebauten Glasscheiben sollten Trauergemeinden besser vor Wind, Regen und Kälte geschützt werden.

Nachbesserungen reichen vielen nicht

In der Praxis wurden aber nur an den Seiten des Unterstands Scheiben eingesetzt. Die Frontseite konnte nämlich aus bauphysikalischen und Denkmalschutzgründen nicht verschlossen werden, außerdem reichen die Scheiben nicht vom Boden bis zum Dach, wodurch weiterhin Wind hineinblasen kann. Nach den Nachbesserungen hagelte es deshalb erneut großen Protest von Bürgern und Bezirksbeiräten. Aufgrund des Protests wurde ein weiterer Teil des Fußraums abgedeckt – jedoch erneut nicht vollständig. Zudem wurden die eingesetzten Glasscheiben noch mit einer Schutzfolie für Vögel beklebt, damit die Tiere nicht gegen das Glas fliegen und dabei verenden.

„Der Unterstand ist nun weithin geschützt, viel mehr kann man nicht machen“, sagt Rolf Lehmann. Außerdem lohne es sich nicht, noch mehr Geld zu investieren angesichts der wenigen Beerdigungen, die dort stattfänden. „Das wäre dann tatsächlich Steuerverschwendung.“ Lehmann glaubt, dass „irgendein Birkacher, der sonst wenig zu tun habe“ und der sich einen vollständigen Neubau der Feierhalle gewünscht habe, einen Hinweis an den Bund der Steuerzahler gegeben habe, damit das Projekt im Schwarzbuch lande. „Da macht jemand eine Sache aus etwas, die sich nicht mehr lohnt.“

Drei Stuttgarter Fälle im Schwarzbuch

Michael Weiss vom Bund der Steuerzahler räumt ein, dass der Verein tatsächlich durch den Hinweis eines Bürgers auf die Feierhalle in Birkach aufmerksam geworden sei. „Ein Kollege hat sich daraufhin die Situation vor Ort angeschaut.“ Anschließend hätte der Verein entsprechend recherchiert und sich bei der Stadt Stuttgart zu den Details erkundigt.

„Dass es in diesem Jahr drei Fälle aus Stuttgart sind, ist ein Zufall. Normalerweise sind die Fälle mehr über Baden-Württemberg gestreut“, sagt Weiss. Neben der Feierhalle hat es nämlich auch die Schnellbuslinie X 1, deren Fahrzeuge zwischen Bad Cannstatt und der Stuttgarter Innenstadt unterwegs sind, sowie die Machbarkeitsstudie für die Surfwelle im Neckar in das Schwarzbuch geschafft.

Pfarrer sagt: Es ist immer noch zugig

Andrea Lindel, die Bezirksvorsteherin von Plieningen und Birkach, betrachtet die unrühmliche Nominierung im Schwarzbuch vor allem mit Humor. „Als ich das am Morgen in der Zeitung gelesen habe, ist mir fast der Löffel ins Müsli gefallen“, sagt sie amüsiert. Ähnlich wie Rolf Lehmann ist sie der Meinung, dass der Unterstand „gut geworden ist, so wie er jetzt ist“.

Doch wie gut oder dramatisch ist nun tatsächlich die Situation in dem Unterstand auf dem Friedhof? Einer, der es wissen muss, ist Jörg Novak. Er ist Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Birkach und hat dort schon Bestattungen abgehalten. „Wenn es kalt und windig ist, ist es nach wie vor zugig“, sagt er. „Aber letztlich ist es egal, wie viel Geld man dort noch reinsteckt: Aus einem Unterstand kann man keine abgeschlossene Halle machen.“ Er sieht darin aber auch kein Problem. Vielmehr sei es durch den Wandel in der Bestattungskultur auch gar nicht mehr zeitgemäß, auf dem kleinen Birkacher Friedhof eine große Feierhalle zu bauen. „Wer tatsächlich einen geschützten Raum will, muss in die Kirche“, meint er.