Gänsehaut-Atmosphäre auf der Waldau. Vor 6350 Zuschauer besiegen die Stuttgarter Kickers im Oberliga-Schlager den SSV Reutlingen mit 1:0 und überwintern auf Platz zwei. Dennoch sind Verstärkungen nötig.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Rainer Lorz hielt es in der Nachspielzeit nicht mehr auf seinem Sitzplatz. Der Präsident der Stuttgarter Kickers verfolgte die dreiminütige Zugabe voller Anspannung im Stehen. Als Schiedsrichter Tobias Reichel abpfiff, gab es ein wahres Feuerwerk der Emotionen. Die Spieler tanzten und feierten mit den Fans, als hätten sie mit dem 1:0 (1:0) gegen den SSV Reutlingen den Aufstieg in die Fußball-Regionalliga schon geschafft. Dabei gehen sie „nur“ auf Relegationsplatz zwei in die Winterpause. Doch der Rückstand auf Spitzenreiter SGV Freiberg beträgt nur einen Punkt.

 

Goldköpfchen Miftari

„Geil, geil, geil“, brüllte Shkemb Miftari im Kabinengang. „Besser geht es nicht. Vor so einem Publikum zu spielen, zu gewinnen und auch noch das Tor zu erzielen – das ist der Wahnsinn“, sagte der Stürmer, der in der 30. Minute nach einer Ecke von Michael Klauß das Tor des Tages köpfte. Dann ergänzte er völlig euphorisiert: „Dieses Spiel hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Kickers in der Oberliga nichts zu suchen haben.“

Dies traf zumindest auf die Zuschauerzahl zu. 6350 Fans (darunter 1500 aus Reutlingen) waren trotz Regenwetter auf die Waldau gepilgert. So viele Besucher waren seit der Drittligasaison 2014/15 nicht mehr gekommen: Damals lockten die Spiele gegen Arminia Bielefeld und den MSV Duisburg 8250 und 8650 Zuschauer an. „Die Kickers leben, das hat dieser ungemein packende und hochemotionale Auftritt bewiesen“, freute sich Lorz.

SSV versiebt drei Riesenchancen

Dass die Mannschaft von Tobias Flitsch auch eine gehörige Portion Dusel benötigte – Schwamm drüber dachte sich der Kickers-Coach. „Wir gehen jetzt mit einem sehr guten Gefühl in die Pause und haben gute Voraussetzungen uns zu verbessern.“ Das ist auch nötig. Vor allem wenn die Abwehr unter Druck gerät, gibt’s Probleme. Marcel Avdic (2./62.) sowie Torjäger Cristian Giles Sanchez (56.) vergaben drei glasklare Tormöglichkeiten. „Da hat uns die letzte Entschlossenheit gefehlt“, sagte SSV-Trainer Teo Rus, „schade, wir hätten mindestens einen Punkt verdient.“

Sein Team war aber auch selbst schuld, nicht nur wegen der miserablen Chancenverwertung: Es spielte auf dem teils schlammigen Boden zu kompliziert, versuchte es im Spielaufbau mit riskantem Kurzpassspiel. Was die Kickers mit ihrer Aggressivität und Leidenschaft immer wieder zu Balleroberungen nutzten. Vor allem Leander Vochatzer tat sich dabei hervor. Er bildete an der Seite von Kapitän Tobias Feisthammel die gut funktionierende Doppel-Sechs. „Ich habe diese Position schon in bei meinen Stationen in Duisburg, Aachen und beim VfB II gespielt“, sagte Feisthammel – und lotste seine Mitspieler in die Kabine: Das Feiern ging weiter.

Am 7. Januar geht’s mit dem Training weiter

Am 7. Januar bittet Trainer Flitsch wieder zum Training. Und wollen die Kickers die Wahrscheinlichkeit auf den Aufstieg erhöhen, wäre die eine oder andere Verstärkung mit Sicherheit kein Nachteil. An dieser Erkenntnis änderte auch der Fußball-Feiertag gegen den SSV nichts.