Fritz Kuhn will als Oberbürgermeister von Stuttgart Geschwindigkeitslimits einführen. Neue Gutachten relativieren allerdings den Nutzen, wenn es darum geht, die Belastung durch Feinstaub einzudämmen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen hat Stuttgarts künftiger grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn dem Feinstaub den Kampf angesagt. Unter anderem will Kuhn durch differenzierte Geschwindigkeitsbeschränkungen die Luft verbessern. So soll auf den sogenannten Vorbehaltsstraßen, die eine lokale, aber auch überörtliche Verkehrsfunktion haben, Tempo 40 eingeführt werden. Doch das wird nicht so einfach gehen, wie es klingt. Zwei aktuelle Gutachten zeigen: Tempobeschränkungen auf 30 oder 40 führen nicht zwangsläufig zu einer besseren Luftqualität. Und je größer der Tempo-40-Bereich ist, desto mehr Verkehr wird in andere Gebiete verdrängt. Das macht die Ausweisung von Tempolimits juristisch leicht angreifbar.

 

1500 Kilometer umfasst das Stuttgarter Straßennetz. Davon sind rund 1000 Kilometer, also zwei Drittel, schon als Tempo-30-Zonen ausgewiesen, sagt Bernd Eichenauer, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde der Stadt. Das Vorbehaltsstraßennetz, das 495 Kilometer lang ist, soll so leistungsfähig sein, dass sich dort „drei Viertel des Verkehrs abspielen“. Zieht man von diesen die langen Durchfahrtsstraßen ab, als welche B 10 und B 14 gelten und für die Fritz Kuhn Tempo 50 vorsieht, verbleibt noch ein umfangreiches Netz, wo die zulässige Geschwindigkeit von 50 auf 40 vermindert werden könnte.

Verbesserung der Luftqualität ist fraglich

Im Referat von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) zeigt man sich aufgeschlossen. Man sei etwa durch den Versuch an der Hohenheimer Straße, wo bald Tempo 40 eingeführt wird, „unterwegs dorthin“, sagt Schairers Referent Hermann Karpf über die Pläne Kuhns.

Wobei sich an dieser Stelle dennoch fragen lässt, warum trotz veränderter Mehrheiten im Gemeinderat und in der Landesregierung in den vergangenen Jahren in dieser Richtung vergleichsweise wenig geschehen ist? Und ob sich das nun, mit einem grünen OB, flott ändern wird?

Ein Grund dafür ist, dass es keineswegs ausgemacht ist, dass Tempolimits stets zur einer Verbesserung der Luftqualität führen, und dass diese mitunter erhebliche Nebenwirkungen haben. Und für alle Verkehrsplaner gilt ein Grundsatz: „Man muss alles, was man tut, rechtssicher begründen“, sagt Bernd Eichenhauer. Sonst landet man mit einer Maßnahme, ein Kläger findet sich immer, vor dem Verwaltungsgericht und unterliegt.

Zwei aktuelle Gutachten legen die Probleme mit aller Deutlichkeit offen. So hat die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) die Auswirkungen von Tempolimits auf die Luftqualität in Stuttgart untersuchen lassen. Das Ergebnis: „Auf weitgehend ebener Strecke und bisher schon gutem Verkehrsfluss bewirkt ein Tempolimit tendenziell höhere Stickstoffoxid-Emissionen im Vergleich zu Tempo 50.“ Bei Tempo 30 und 40 in Stuttgart sei es auf ebenen Hauptverkehrsstraßen insgesamt nicht zu einer Verminderung der Emissionen gekommen. Und der Ausstoß von Feinstaub durch in realen Bedingungen getesteten Fahrzeugen nehme „bei Tempo 30 fast an allen untersuchten Streckenabschnitten zu“. Nur an Steigungsstrecken, wie die Hohenheimer Straße eine ist, geht der Schadstoffausstoß der Fahrzeuge zurück.

Ein Gutachten des Instituts für Straßen und Verkehrswesen der Universität Stuttgart kommt, was den durch Tempo 40 erzeugte Ausweichverkehr anlangt, zu dem allgemeinen Schluss: „Die Reduktion der Geschwindigkeit bewirkt eine Reduktion der Verkehrsbelastung auf den betroffenen Straßen. Auf Straßen ohne Geschwindigkeitsänderung nehmen die Verkehrsstärken hingegen zu, da diese zum Umfahren genutzt werden.“ In dem umfangreichen Gutachten, in dem drei Szenarien untersucht worden sind, ist mit Karten etwa dokumentiert, dass eine großflächige Einführung von Tempo 40 zu einer erheblichen Verkehrsbelastung der Anrainergemeinden führen würde. Würde man das Gebiet auf den Talkessel einschränken, wäre die Verkehrszunahme in vielen Gebiete in den oberen Wohnlagen und auf Verbindungen wie der Kräherwaldstraße immer noch sehr groß. Selbst der Sprecher von Winfried Hermann, dem grünen Landesverkehrsminister, sagt zu den Plänen von Fritz Kuhn, diese seien „gut und sinnvoll“, aber man müsse diese auch „rechtlich hinkriegen“. Weil es keine einfache Lösung gebe und die Ergebnisse von Tempolimits „mal gut, mal schlecht ausfallen“, sagt Edgar Neumann, überlasse man das Vorgehen der Kommune. Deshalb habe das Regierungspräsidium bisher „nicht auf die Stadt eingewirkt“.