Das Feinstaubproblem im Stuttgarter Talkessel besteht schon seit Jahren. Zwar werden die Grenzwertüberschreitungen weniger, doch der Weg zu akzeptablen Werten ist noch weit. Nun steht schon der nächste Alarm an.

Stuttgart - Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) setzt im Kampf gegen den Feinstaub in der Landeshauptstadt zunächst nicht auf Fahrverbote, sondern auf eine „Bürgerbewegung“. „Es wäre doch viel besser, die Gesellschaft bringt es selbst fertig, dass die Stadtluft sich verbessert“, sagte Kuhn. Das sei zwar angesichts der Kessellage Stuttgarts schwierig. „Meine Vision heißt aber: Das packen wir trotzdem“, sagte Kuhn, der in seine zweite Halbzeit als Stuttgarter Stadtoberhaupt geht. Er ist der einzige grüne Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt.

 

Bislang sind die Autofahrer in Stuttgart und der Region aufgerufen, bei Feinstaubalarm freiwillig auf das Auto zu verzichten. Werden die Grenzwerte auch 2017 überschritten, kann es zu Fahrverboten und zu Geldstrafen der EU gegen Deutschland kommen. Über dann notwendige ordnungspolitische Maßnahmen entscheidet die grün-schwarze Landesregierung in der ersten Jahreshälfte.

Die Stadt löste am Wochenende zum ersten Mal in diesem Jahr Feinstaubalarm aus. Er beginnt in der Nacht zum Montag um Mitternacht. Für sogenannte Komfortkamine, die nur der Gemütlichkeit dienen, gilt er bereits am Sonntag um 18.00 Uhr.

Entwicklung hin zur nachhaltigen Mobilität

Kuhn rief den Bund auf, Städte nicht länger mit dem Feinstaubproblemen allein zulassen. „Die Bundesregierung verweigert den Kommunen die Gesetze, auf deren Basis sie nach ihrem jeweiligen Bedarf auf die Luftverschmutzung reagieren könnten.“ Es treibe ihn und seine Kollegen in anderen großen Städten zur Weißglut, dass Bundesverkehrminister Alexander Dobrindt (CSU) die blaue Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge ebenso blockiere wie die City-Maut und die Nahverkehrsabgabe.

Aus Sicht von Kuhn sind in Stuttgart zu viele Autos unterwegs. Auf 1000 Einwohner der Landeshauptstadt kommen 550 Fahrzeuge. „Viele haben zwei Wagen, und ich wünsche mir, dass sie aus Liebe zur Stadt wenigstens das zweite Auto als vollelektrisches Fahrzeug kaufen.“ Ziel sei, Stuttgart von der autogerechten Stadt in eine Stadt der nachhaltigen Mobilität zu verwandeln. „Wir müssen es auch und gerade in der Autostadt Stuttgart schaffen, dass 20 Prozent konventionell betriebener Autos weniger in den Kessel einfahren.“ Dafür müsse der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und noch attraktiver gemacht werden.

Keine Einbußen für den Einzelhandel

Weniger Autos würden auch weniger Stress und Lärm bedeuten und die Wohnqualität an viel befahrenen Straßen verbessern, erläuterte er. In der Feinstaubdiskussion werde auch zu leicht ausgeblendet, dass die winzigen Feinstaub-Partikel die Gesundheit der Menschen massiv gefährden. „Feinstaub und Stickstoffdioxid sind Schadstoffe - darauf weisen Fachärzte immer wieder hin -, die die Atmungsorgane belasten und auch das Herz-Kreislauf-System schädigen können“, so Kuhn.

Im Kampf gegen Feinstaub sei Stuttgart schon ein Stück des Weges vorangekommen: 2016 sei an 60 Tagen der EU-Grenzwert überschritten worden. Im Jahr zuvor waren es noch 72 Tage. Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf die Messstelle am Neckartor, an den anderen Messstellen werde der Wert unterschritten. Die Feinstaubalarme hätten den öffentlichen Verkehrsmitteln fünf bis sechs Prozent mehr Fahrgäste beschert, sagte der Grünenpolitiker. Der Einzelhandel habe während des Alarms entgegen dessen Befürchtungen mehr Leute in der Stadt registriert.

Die Furcht der Stuttgarter CDU, der Feinstaubalarm könne das Image der Stadt schädigen, hält Kuhn für nicht gerechtfertigt. „Die Zeiten, in denen man des Problem unter den Teppich kehrt, sind ein für allemal vorbei.“ Würden die Werte eingehalten, wäre das ein Imagegewinn für Stuttgart, ist der Rathauschef überzeugt.