Das Tübinger Landestheater zeigt ein Drama von Felix Huby über den Ulmer Milliardär Adolf Merckle: „Die Stunde des Unternehmers“ ist zwar konventionelles, aber doch kraftvolles Theater.

Stuttgart - Die erste Szene ist stark: Der Unternehmer, ein gedrungener Mann im Anzug, schiebt seinen schweren Schreibtisch über die Bühne – und doch scheint es, als sei er selbst es, der vom Tisch gezogen würde, als mühe er sich mit aller Kraft, den Tisch zu halten, der in einem Wind davon treiben möchte. Es ist Silvester, immer wieder Silvester, im Drama „Die Stunde des Unternehmers“ von Felix Huby und Hartwin Gromes, das im Tübinger Landestheater uraufgeführt wurde.

 

Huby, der am 21. Dezember achtzig wird, erzählt in diesem Stück die Geschichte des schwäbischen Unternehmers und Patriarchen Walter Weicker. Dessen Hauptbetätigungsfeld ist die Pharmabranche, unter anderem produziert er Generika. Die Finanzkrise wird ihn zu Fall bringen. Gemeint ist, gänzlich unverblümt, der Unternehmer Adolf Merckle, der sich am 5. Januar 2009 bei seinem Wohnort Blaubeuren vor den Zug warf.

Dean Martin bringt ihm ein Ständchen

Der Mann, der mit dem Schreibtisch ringt, durchlebt in den zwei Stunden des Stücks seine ganze Laufbahn bis zur Krise, eine Collage aus den Silvesterabenden vieler Jahre. Tom Musch hat die Familie des Unternehmers und viele weitere Figuren eingekleidet und die Bühne in silberne Vorhänge gehüllt. Schnee liegt dort immer, was geschieht, hinterlässt also Spuren. Musik bildet die Zeit bis zu den neunziger Jahren ab: Träumt Weicker von seinen Anfängen, singt Dean Martin ihm Erinnerungen vor.

Das ist konventionelles Theater, frei von Überraschungen allein schon deshalb, weil das tragische Ende ja bekannt ist. Ute Koschel jedoch hat das Stück dicht und kurzweilig inszeniert. Susanne Weckerle spielt die Unternehmergattin, Rolf Kindermann den Arbeiter, Vater, Großvater. Sie und andere haben ihre Momente, kraftvoll, tragisch, sarkastisch, sie ziehen als Partybande durchs Silvesterbild – die „Stunde des Unternehmers“ aber ist vor allem die Stunde des Gilbert Mieroph.

Mieroph spielt den Walter Weicker und scheint für diese Rolle geboren zu sein. Er tobt, er telefoniert, er schmiegt sich an seine Frau und tanzt mit ihr, feuert einen Mitarbeiter wegen einer Lappalie, ist barsch und hart, wird weich, jovial, verzweifelt, fordernd, selbstgewiss, hysterisch. Er lehnt aufgelöst an seiner Schreibtischkante und empört sich auch über Privates: „Warum schwätzat meine Kinder ums Verrecka nemme Schwäbisch?“ Gilbert Mieroph leuchtet jeden Winkel seines Unternehmers aus, gibt ihm viele Gesichter und Haltungen – aber immer, wenn es still wird auf der Bühne, hört das Publikum, wie Walter Weickers Uhr tickt.