Weinbau auf 850 Metern Höhe? Das gibt es – seit kurzem wird im Oberallgäu Wein angebaut. Gerhard Aldinger hat die ersten Reben mitgebracht.

Fellbach/Bad Hindelang - Zwei Hoteliers bei Hindelang und ein erfahrener Remstalwengerter, der dort seit Jahrzehnten Stammgast ist - was anderes kann dabei herauskommen, als Weinbau im Oberallgäu? Am Anfang allerdings, so berichtet Markus Rainalter vom Hotel Hanusel Hof, war das Projekt "Deutschlands höchster Weinberg" ein Scherz zwischen zwei Freunden gewesen, die auf Hotelerkundungstour in Südtirol waren. Jedes Etablissement dort habe seine eigenen Weinreben vor der Haustüre gehabt. Er und Armin Gross vom Hotel Prinz-Luitpold-Bad hätten damals spontan beschlossen: "So was wollen wir auch".

 

Dass es heute tatsächlich die Winzergemeinschaft Oberallgäu gibt, war allerdings eine etwas längere Entwicklung, die nicht zuletzt mit freundschaftlichen Verbindungen ins Remstal zu tun hat. Denn bei Armin Gross ist seit Jahren regelmäßig der Seniorchef des Fellbacher Weinguts Aldinger, Gerhard Aldinger, zu Gast, so wie zum Beispiel in dieser Woche. Und er hat den Möchtegern-Weinmachern vor drei Jahren angesichts ihrer Weinbauträume die ersten zehn Rebstöcke nach Bayerisch-Schwaben mitgebracht. Echte, sorgfältig gepfropfte Remstalgewächse vom Schnaiter Rebveredler Hans Wahler. Und eine Sorte namens Solaris, die zum einen pilzresistent ist und zum anderen extrem früh reif wird. Eine Eigenschaft, die wiederum ganz wichtig ist, wenn die Weinbauparzellen auf 850 beziehungsweise 800 Metern Höhe über dem Meer liegen.

Jene ersten zehn Reben in Bad Hindelang allerdings, die haben zunächst für richtig Ärger gesorgt. Die bayerische Bürokratie hat sich nämlich des vermeintlichen Frevels gegen das Weinrecht angenommen. Aus Veitshöchheim, dort wo die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau nicht nur unterrichtet, sondern auch höchstamtlich über die Einhaltung der Verordnungen wacht, kam flugs ein völlig freudloses Schreiben, das die Rodung anordnete.

"Wir sind nicht Winzer, sondern Winzlinge"

Und das widrigenfalls mit Gefängnis für die vinologischen Übeltäter drohte, falls diese ihre angeblich wirtschaftskriminellen Machenschaften fortsetzten. Gross und Reinalter haben, beraten natürlich vom Remstäler Kenner der Weinverordnung, ihr Weinrechtsproblem ganz anders gelöst. Um sich ordnungsgemäß und weinparagraphentreu als Hobbywengerter ausweisen zu können, haben sie die Oberallgäuer Winzergemeinschaft gegründet und dürfen nun, versehen mit der amtlichen Prüfnummer 7801230321 und dem Segen des bayerischen Landwirtschaftsamtes, jeweils 100 Quadratmeter Rebfläche beackern. Mit Aussicht auf vinologischen Erfolg für diejenigen die erfrischend selbstironisch von sich sagen: "Wir nennen uns nicht Winzer, sondern Winzlinge."

Die ersten Testreben hätten trotz himmelhoher Lage einen Saft mit stolzen 85 Grad Öchsle ergeben, berichtet Reinhalter. Und für den späteren Wein gelte der Ehrgeiz, dass dieser gut trinkbar sein müsse. Der Testwein von den ersten Reben allerdings, "der war noch etwas speziell".

Die richtige Weinproduktion mit Trauben aus den Junganlagen, an denen mit Aldingers Hilfe in dieser Woche die Pfosten gesetzt und die Drahtanlagen gespannt werden, kann frühestens im kommenden Herbst beginnen. Auf den ersten Allgäuer Tropfen sei er richtig gespannt, sagt Gerhard Aldinger beim Telefonat zwischen Allgäu und Remstal. Und ganz besonders freut ihn, dass die beiden beteiligten Junghoteliers in ihren Häusern bereits das Weinangebot auf deutsche Spitzenweine umgestellt haben: "Wir können die Anstrengung der bayerischen Gastronomen für den Wein nur unterstützen."

Begeisterung für die Weingaudi mit Höhenrekord

In Bayern ist da die professionelle Begeisterung für die Avantgarde des Allgäuweins deutlich verhaltener. Im Weinbaugebiet Franken sei man eher auf Ablehnung gestoßen, berichten die Jungwinzer. Und die Tatsache, dass die Winzergemeinschaft Oberallgäu schon vor dem ersten Weinjahrgang nicht nur ein eigenes Logo, sondern seit September auch noch eine eigene Weinkönigin hat, das löste regional ein echtes Rauschen im Blätterwald aus. Neben Begeisterung für die Weingaudi mit Höhenrekord witterten einige nämlich bierernst eine massive Majestätsbeleidigung für die dort regional bisher quasi alleinherrschaftlich regierenden Hopfenhoheiten.

Allein um Wein geht es trotzdem am Freitag bei der nächsten Veranstaltung der Allgäuwengerter, die - bei aller Gaudi - als Fernziel ausgegeben haben, das Oberallgäu irgendwann zum vierzehnten deutschen Weinanbaugebiet zu machen. Bei Armin Gross wird sich dann die Oberallgäuer Edelgastronomie versammeln und sich die württembergischen Siegerweine des jüngst in Fellbach verliehenen Deutschen Rotweinpreises kredenzen lassen - ein Pflichttermin für die Weinbaupaten aus dem Hause Aldinger.