Bei den großen Partein in Fellbach ist Wunden lecken angesagt. Die CDU verliert bei den Landtagswahlen seit 2006 fast 20 Prozentpunkte. Sehr zufrieden sind die Freidemokraten, die auf 12,1 Prozent zulegen können.

Fellbach - Aschfahle Gesichter und hängende Mundwinkel sind am Montag nach der Wahl nicht nur bei vielen Parteichefs in Berlin und Stuttgart, sondern auch bei den Lokalpolitikern in Fellbach zu beobachten. Das jeweilige Abschneiden bei der Landtagswahl hat die schlimmsten Befürchtungen in den einst großen Parteien CDU und SPD übertroffen. Die Sozialdemokraten verlieren in Fellbach 9,3 Prozentpunkte, die Christdemokraten sacken um neun Prozent ab – nimmt man jene 10,4 Prozentpunkte Verlust zwischen 2006 und 2011 noch hinzu, dann sind es bei der CDU gar fast 20 Prozent innerhalb von zehn Jahren.

 

„Da gibt’s tatsächlich nichts zu beschönigen“, analysiert Partei- und Fraktionschef Hans-Ulrich Spieth. Mit 27,2 Prozent landet die CDU auch in Fellbach auf Platz zwei hinter den Grünen (27,9 Prozent). Das sei völlig anders gelaufen als erhofft. „Dabei hatten wir mit Siegfried Lorek einen hervorragenden und sympathischen Kandidaten, der für seinen Einsatz belohnt wurde, indem er das Zweitmandat erhält.“ Sehr viele Faktoren haben nach Spieths Meinung das Absinken der CDU beeinflusst: „Die Flüchtlingsgeschichte, der vielleicht nicht ganz richtige Spitzenkandidat, natürlich spielt auch Kretschmann eine große Rolle.“

„Ein Niederschlag wie beim Boxen“

Kretschmann, immer wieder Kretschmann – die Strahlkraft des 67-Jährigen hat auch die Sozialdemokraten um Spitzenmann Nils Schmid (42 Jahre) alt aussehen lassen. „Das ist ein Niederschlag, würde man im Boxen wohl sagen“, erläutert Fellbachs SPD-Fraktionschef Andreas Möhlmann. „Besonders bitter“ sei, dass es Katrin Altpeter im Wahlkreis Waiblingen nicht mehr ins Parlament geschafft hat. „Dabei hat sie als Sozialministerin eine gute Arbeit gemacht.“ Für SPD-Ortsvereinschef Tobias Schlegel ist es da „auch kein Trost“, dass die SPD in Fellbach „hauchdünn vor der AfD“ liegt.

Möhlmann empfiehlt seiner Partei, „sich wieder stärker aufs Thema soziale Gerechtigkeit zu konzentrieren und weniger dem Bauchladenprinzip zu huldigen“. Einer Deutschlandkoalition auf Landesebene – also Schwarz-rot-gelb (mit CDU, SPD und FDP) erteilt Möhlmann eine deutliche Absage: „Wir sind abgewählt“, und wegen der „Ausschließerei der FDP“, die sich einer „Ampel“ verweigere, müssten nun eben Grüne und CDU gemeinsam ran.

FDP etabliert sich auf hohem Niveau

Schwarz-rote Trübsal? Darüber können die Gelb-Blauen in Fellbach, die um 3,3 Punkte auf 12,1 Prozent zugelegt haben, nur müde lächeln. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt der FDP-Stadtverbands-Vorsitzende Wilfried Stirm. Ulrich Lenk, Fraktionschef der Freien Wähler/Freien Demokraten im Gemeinderat, ergänzt: „Wir haben uns auf hohem Niveau etabliert.“ Er verweist auf das hervorragende Abschneiden der liberalen Remstal-Kandidaten Jochen Haußmann aus Kernen (12,6 Prozent im Wahlkreis Schorndorf) und Ulrich Goll (11,4 Prozent im Wahlkreis Waiblingen) _ „das ist das zweit- und drittbeste Ergebnis der FDP in Baden-Württemberg“, so Lenk. Eine Ampelkoalition in Stuttgart darf seiner Ansicht nach nicht kommen: „Ich hoffe, dass die FDP hier konsequent bleibt.“

Er wie auch die anderen Parteienvertreter sind ansonsten verblüfft bis entsetzt über das Abschneiden der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland. Dass der Fellbacher AfD-Ratskollege Heiner Merz nun in Heidenheim ein Mandat errungen hat, bezeichnet Möhlmann als „traurig“. In Schmiden kam die AfD auf 15,8 Prozent, „und das für Leute, die nur dagegen sind“, urteilt Lenk kopfschüttelnd.

Hintergrund:

Wahlergebnisse in Fellbach

Gesamt-Fellbach
Bei 21 642 Wählern von insgesamt 29 173 Wahlberechtigten in allen drei Stadtteilen kommt die Wahlbeteiligung auf 74,2 Prozent. Den Spitzenplatz nehmen die Grünen mit 27,9 Prozent ein vor der CDU mit 27,2 Prozent. Es folgen SPD (13,7 Prozent), AfD (13,2 Prozent) und FDP (12,1 Prozent).

SchmidenDie SPD kommt auch in ihrer früheren Hochburg nur auf 14,8 Prozent. Die Grünen kommen auf 27,8 Prozent, CDU auf 25,2, AfD auf 15,8 und FDP auf 11,1 Prozent.

OeffingenWenigstens im nördlichen Stadtteil hat die CDU mit 28,6 Prozent einen minimalen Vorsprung auf die Grünen (28,2 Prozent). Die AfD liegt ganz knapp vor der SPD (jeweils 12,6 Prozent), die FDP kommt auf 12,1 Prozent.

BriefwahlAuffallend unter den 4835 Briefwählern: Diese stimmen eher konservativ-liberal ab: CDU und FDP liegen zwei Punkte über dem Gesamtstadt-Durchschnitt.