Kann ein Hashtag reichen, um gewählt zu werden? Hans-Dieter Wolz hat da seine ganz eigene Meinung zu.

Fellbach - Das Parteivolk aller Farbenschattierungen hat die Stadt mit Wahlplakaten zugekleistert. Diese farbenfrohen Tupfer sind unverzichtbares, eher unschönes Beiwerk eines Wahlkampfs.

 

Und dann noch dies: jopf kandidiert, genauer #jopf. Mehr braucht’s nicht, um gewählt zu werden. Name? Partei? – völlig veraltete Frage. #jopf gilt. Er ist der Erste im Wahlkreis, der seinen Namen durch einen Hashtag ersetzt hat. Twittern ist in.

Da kommt also endlich ein junger unverbrauchter, unangepasster Kandidat, der weiß, dass die Raute jetzt Hashtag heißt und mittels diesem Zeichen zwar gelegentlich noch telefoniert oder ein altes Handy mit Guthaben aufgeladen, hauptsächlich aber getwittert wird? Viele werden vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber doch auf den zweiten erkannt haben, dass es sich trotz des modernen Getues um den Etabliertesten unter den Kandidaten aller etablierter Parteien handelt, den Platzhirsch im Revier des Bundestagswahlkreises Waiblingen: Joachim Pfeiffer (CDU).

Pfeiffer steht nach wie vor für den Nord-Ost-Ring ein

Oben und rechts auf dem Plakat haben die Wahlstrategen ihm im Gesicht etwas abgeschnitten. Aber das bedeutet nicht, dass die ihm an seiner Politik was abgeschnitten hätten: Er tritt nach wie vor für den Nord-Ost-Ring ein und steht im Ruf, tatkräftig daran mitgewirkt zu haben, dass diese Straße als naturzerstörende Autobahn neu im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans steht und damit neuerdings wieder (vage) Realisierungschancen hat. Er vertritt nach eigenem Bekunden mit Leidenschaft seinen Wahlkreis und scheint dabei übersehen zu haben, dass Fellbach und seine Teilorte dazu gehören. Über deren Gemarkung soll dieses Straßenmonster ziemlich ortsnah geführt werden, vor allem zur Verzweiflung örtlicher Christdemokraten.

Es könnte natürlich auch sein, dass findige Wahlstrategen mit den Schnitten nur verdecken wollten, dass #jopf im Gesicht gegenüber früher etwas zugelegt hat. Solche Kosmetik braucht Joachim Pfeiffer aber nicht.

Ganze zwei Tweets hat @j_pfeiffer seit 2009 abgesetzt.

Und zurück zum Zwitschern, wie man Twitter eher schlecht als recht übersetzen könnte. Es ist eine oberflächliche Kommunikationsform, eine Lieblingsbeschäftigung des gegenwärtigen, gewiss nicht fortschrittlichen amerikanischen Präsidenten. Er beweist eindrucksvoll, wie man auf 140 Buchstaben Maximallänge mit Tiefgang und Wahrheitstreue informiert. Sehr schlecht.

@realDonaldTrump ist mit 35 500 Tweets, Twitter-Botschaften, zahlenmäßig weit voraus. Joachim Pfeiffer hat unter dem Profil @j_pfeiffer seit seinem Beitritt zu Twitter im Januar 2009 gerade mal zwei Tweets abgesetzt. Dort hat er 79 „Follower“, Menschen, die seine Worte abonniert haben. Wer unter #jopf sucht, findet einige Kurztexte der CDU Schorndorf, aber nichts vom Kandidaten. Dafür ist er mit #jopf auch auf Facebook. Unter der Suche nach „Joachim Pfeiffer“ findet sich mehr: auch seine Kommentare als wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – und viel Kritik. Das ihm zugeschriebene Twitter-Profil @jopf gibt es dagegen nicht mehr. Unzählige Bewunderer des Plakats werden jetzt ungeduldig darauf warten, wann sich der Abgeordnete selbst einmal mit dem Hashtag #jopf äußert.