Die Bürgermeister-Kreis-versammlung beschäftigt sich mit dem Breitband-Internet.

Fellbach - Wer verstehen will, warum manchem Gemeindechef in der gestrigen Bürgermeister-Kreisversammlung anlässlich des Fellbacher Herbsts im Rathaus der Kopf rauchte, muss den Hintergrund des Besuchs von Frank Rothe verstehen. Der Leiter der Technik Niederlassung Südwest der Deutschen Telekom AG sprach über die Breitbandausbaustrategie seiner Firma. Viele Bürger im Rems-Murr-Kreis – die wenigsten davon glücklicherweise in Fellbach und bald auch nur noch wenige in Kernen – genießen das Internet statt als Datenflut als eine Art tröpfelnde Datenquelle: Quälend langsam öffnen sich die Webseiten, und wenn man ein paar Bilder für Freunde zum Ansehen hochladen will oder sich einen Film aus der Online-Videothek gönnt, läuft der Rechner die ganze Nacht. Das soll sich ändern, haben die Bürgermeister sich zum Ziel gesetzt. Man will zukunftsfähig sein.

 

Die Telekom versorgt nur 95 Prozent der Haushalte mit der versprochenen Datenrate von 30 MBit pro Sekunde

Die Telekom, der wichtigste Netzbetreiber in Deutschland, eigentlich für den Ausbau als erster zuständig, bietet diesen den Gemeinden im Landkreis bis hinein in den ländlichen Raum nur dann an, wenn sie Geld aus ihren Steuermitteln zuschießen. Ansonsten gibt es bei ihr eine „Deckungslücke“, wie Frank Bothe sagt. Der jetzt von gewinnhungrigen Aktionären abhängige Konzern will mit dem neuen Netz Geld verdienen. Es rechnet sich auf dem Land aber nicht. Nicht einmal den nachfragenden Bürgermeistern wollte Frank Bothe am Montag die offenbar für den Rems-Murr-Kreis schon berechnete Höhe dieser Geldspritze verraten. Aber den Bürgermeistern ist bekannt, dass die Telekom nur 95 Prozent der Haushalte mit der versprochenen Datenrate von 30 MBit pro Sekunde versorgt. Diese Rate ist für Fellbach schon Stand der Technik, in Waiblingen und Kernen läuft der Ausbau. Wirklich zukunftsfähig wäre für diese, überall Glasfaser- statt der noch vorhandenen Kupferkabel zu legen. Aber das kostet so ungefähr das Zehnfache als die von der Telekom favorisierte Technik, deutet Bothe an.

Der Entscheidungstermin rückt näher

Der Entscheidungstermin rückt näher: Im Dezember will der Technikchef bei Landrat Johannes Fuchs stellvertretend für die Bürgermeister, die eigentlichen Zahlmeister, vorstellig werden, um sein Angebot zu präsentieren. Angesichts dieser Entwicklung hat die Gemeindeoberhäupter wegen ihrer deutlich verschiedenen Interessenlage aufgrund des unterschiedlichen Versorgungsgrads Unbehagen erfasst. Dies gilt insbesondere für Albrecht Ulrich aus Winterbach ebenso wie Reinhard Sczuka aus Althütte, die von schlechten Erfahrungen bei Kooperationsversuchen mit der Telekom berichteten.

Im Detail wurde es am Montag sehr technisch: Die Telekom weigert sich, von einigen Ausnahmen abgesehen, gleich die Zukunftslösung, Glasfaser in jedes Haus (die englische Abkürzung lautet FTTH, Fiber To The Home) zu legen. Das ist das Ziel, das die Breitbandstudie des Landkreises fordert. Denn die Wartezeiten beim Upload, dem Hochladen von Dateien, werden mit FTTH erst zumutbar. Vor allem für Firmenkunden ist das wichtig. Telekoms Bothe empfiehlt dagegen in einem ersten Schritt, auch weil das viel schneller flächendeckend zu verwirklichen ist, die Glasfaserkabel nur bis an alle grauen Verteilerkästen am Straßenrand zu bringen, wie in Fellbach geschehen ist (und was mit FTTC bezeichnet wird, Fiber To The Curb).

Der Telekom-Mann wirbt mit vielen schwierigen Begriffen für sein im Detail unbekanntes Angebot

Von diesem Kabelverzweiger (KVz) zum Hausanschluss, das nennt sich die „letzte Meile“, werden die alten Kupferkabel benutzt. Mit der Übergangstechnologie des „Vectorings“ – eine Art Software, um Störungsgeräusche auszuschalten – lässt sich die erzielbare Datenrate immerhin noch verdoppeln, also von den versprochenen 30 auf 60 Mbit/s. Aber dies gilt wiederum nur innerhalb von 500 Metern Abstand zum KVz, zu einem der 60 000 grauen Kästen in Baden-Württemberg also, die meist an einer Hauptstraße liegen.

Für die 5 Prozent der Bevölkerung, die mangels Wirtschaftlichkeit weiter von 30 Mbit/s ausgespart werden, soll es nach dem Vorschlag der Telekom Hybrid-Lösungen mit dem superschnellen Mobilfunk LTE und dem Festnetz geben. Mit vielen Worten und mit schwierigen technischen Begriffen warb der Telekom-Mann für sein im Detail unbekanntes Angebot. Es fehlt unter anderem die Karte mit der vor Ort und im Einzelfall erzielbaren Datenrate, also sozusagen die Liste über die Gewinner und Verlierer.

Wie die Bürgermeister und deren Gemeinderäte entscheiden, ist offen

Wie die Bürgermeister und deren Gemeinderäte entscheiden, ist offen. Manche Gemeinden verfolgen schon eigene Konzepte, um FTTH in Zusammenarbeit mit anderen Privatfirmen unmittelbar zu verwirklichen. Der Kreistag wiederum muss beschließen, ob er selbst ein eigenes sehr teures Netz zu den KVz knüpfen will, im erweiterten Sinne als Internet-Hauptnetz „Backbone“ (englisch für Rückgrat) genannt. Dies würde an Rems und Murr den Wettbewerb der Netzbetreiber fördern. Frank Bothe als Vertreter eines ehemaligen Monopolisten sieht dies aber als unnötige Parallelstruktur an.