In den Weinbergen von Fellbach ist die seltene Zaunammer aufgetaucht. Experten des Naturschutzbunds (Nabu) haben den Vogel auf dem Kappelberg aufgespürt. In Deutschland kommt die Zaunammer nur an ganz wenigen Stellen vor.

Was in Fachkreisen schon einige Zeit mit Spannung beobachtet wurde, ist nun offiziell: Es gibt eine neue Brutvogelart in Fellbach. Sie hört auf den Namen Zaunammer und ist eine enge Verwandte der Goldammer. Experten des Naturschutzbunds (Nabu) haben den seltenen Vogel, der gerne in Weinbergen lebt, aufgespürt.

 

Der Vogel ähnelt der Goldammer

Auf den ersten Blick ähnelt die Zaunammer der häufigen vorkommenden Goldammer. Doch auf den zweiten Blick gibt es deutliche Unterschiede. Michael Eick, Ornithologe und Nabu-Sprecher aus Fellbach, erklärt den Unterschied: „Während die Goldammer einen komplett zitronengelben Kopf-Brustbereich hat, ist die Zaunammer viel abwechslungsreicher gefärbt. Sie hat auf der gelben Grundfärbung an Kopf und Brust einen schwarzen Latz an der Kehle, einen schwarzen Streifen durch das Auge und einen unterbrochenen braunen Brustring.“ Von hinten sind die beiden sperlingsgroßen Vögel dagegen fast identisch: brauner Rücken, relativ langer Schwanz mit weißen Außenfedern. Ein bisschen erinnern sie dabei an einen ganz gewöhnlichen Sperling.

Der Kappelberg ist ideal als Siedlungsgebiet

Ganz „gewöhnlich“ ist die Zaunammer aber mitnichten, schließlich gibt es von ihr in Fellbach nur ein einziges Brutpaar. In der ganzen Region Stuttgart ist sie bisher erst an drei Stellen gefunden worden – jetzt auch am Kappelberg, der als ideales Siedlungsgebiet erscheint. Denn als Lebensraum bevorzugt die aus dem Mittelmeerraum stammende Zaunammer hügelige Landschaften mit Offenland und Gebüsch. Sie ist besonders gerne in Weinbergen, wenn diese von Gärten oder Sträuchern umgeben sind. Somit war es nur eine Frage der Zeit, wann die Zaunammer in Fellbach auftauchen würde. „Man könnte sagen, dass diese mediterrane Art so etwas wie ein Weinklima-Gütesiegel ist“, sagt Eick und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu, dass die Fellbacher Wengerter sich ja schon einmal überlegen könnten, ob sie nicht ein neues Etikett mit einem Porträt der Zaunammer gestalten wollen.

Die Zaunammer versteckt sich gerne. Foto: Michael Eick
In Deutschland kommt diese Ammer nur an ganz wenigen Stellen vor, besonders im warmen Südwesten und immer in den besten Weinbaulagen: am Kaiserstuhl, in der Pfalz und nun im mittleren Neckarraum. Das Beispiel der Zaunammer zeige aber auch auf, dass Vögel in Weinbergen leben können, wenn auch noch andere wichtige Lebensraumelemente vorhanden sind: Sträucher, Hecken, kleine unbewirtschaftete Flächen zwischendrin, auch mal einige Rebzeilen, die nicht absolut sauber „geschleckt“ seien. Ein Wengert allein mache noch keinen hochwertigen Lebensraum.

Der Vogel bleibt lange verschwunden

Die Entdeckungsgeschichte der Zaunammer in der Region verlief ziemlich spannend: Schon vergangenes Jahr wurde zufällig zwischen Fellbach und Untertürkheim mehrfach eine Zaunammer gehört und gesichtet. Doch dann blieb der Vogel verschwunden. Also nur eine „Eintagsfliege“? Im Frühjahr dieses Jahres entdeckte der ehemalige Fellbacher Nabu-Aktive Markus Wegst dann gleich an zwei Stellen in Rohrackers Reben die raren Vögel. Das rief wiederum die Ornithologen der Region auf den Plan. Man organisierte kurzerhand eine Synchronsuche. Und tatsächlich, den Fachleuten gelang es, gleich an mehreren Stellen, die leisen Vögel ausfindig zu machen.

So gibt es nun Nachweise aus Rohracker, Untertürkheim und Fellbach. „Das Auftauchen der Art an gleich mehreren Stellen ist bemerkenswert“, berichtet Eick. „Insgesamt konnten wir fünf Reviere registrieren und können sogar sicher von mindestens drei Brutpaaren ausgehen, bei denen es entsprechende Beobachtungen gibt.“ Dazu zählen Aktivitäten beim Nestbau, Sichtungen beider Partner eines Paares, Futtertransport oder gar ein Nest und Jungvögel.

Der Gesang ist leise

„Dabei muss man wissen, dass die Zaunammer eine Vogelart ist, die sich einem nicht gerade aufdrängt“, erklärt Biologe Eick. Neben ihrer eher unauffälligen Lebensweise komme dazu, dass auch ihr Gesang eher leise sei und in der allgemeinen Lärmkulisse in der Landschaft schon mal untergehen könne. „Wenn da ein Rasenmäher in der Nähe läuft oder ein Wengerter mit seinem Schlepper fährt, ist die Zaunammer praktisch nicht mehr zu hören.“

Der Nachweis von Jungvögeln ist geglückt

Seither haben die Vogelkundler die Ansiedlung des Neubürgers genau beobachtet und dokumentiert - auch in Fellbach. Als im April ein singendes Männchen zunächst unweit des Waldschlössle entdeckt werden konnte, waren die Ornithologen elektrisiert. „Anfang August ist uns endlich der eindeutige Nachweis von Jungvögeln geglückt“, so Michael Grimminger. Er ist der engagierte Vogelkundler, der unermüdlich die Gegend abgesucht und als erster die Fellbacher Zaunammer aufgespürt hat.

Und er musste sie sogar nochmals suchen, denn sie war zwischenzeitlich wieder verschwunden. Der Garten, den sie sich als Revier ausgesucht hatte, wurde im Frühsommer – also mitten in der Brutzeit – rigoros ausgeholzt. Bei diesem Verstoß gegen das Naturschutzgesetz ging vermutlich die allererste Brut verloren. Beinahe wäre an dieser Stelle die Geschichte zu Ende gewesen, die Zaunammer gab den Platz auf.

Happy End mit Jungvögeln

Doch zum Glück tauchte einige Wochen später etwas weiter östlich wieder ein Männchen auf – wahrscheinlich dasselbe. Diesmal wurde auch das Weibchen gesichtet. „Wir waren erleichtert“, so Grimminger, „denn es hätte auch sein können, dass die Vögel Fellbach ganz verlassen und weiter in Richtung Remstal abziehen.“ Der Rest war dann nur noch eine Frage von Geduld, Erfahrung und guter Optik. Zum Happy End konnten die Ornithologen tatsächlich die ganze Familie mit insgesamt drei Jungen beobachten.