Stundenlang harren Unterstützer am Flüchtlingsheim in Fellbach aus und stellen sich der Polizei gewaltfrei in den Weg. Damit verhindern sie die Abschiebung eines jungen Gambiers nach Italien.

Fellbach - Als der Fellbacher Polizeichef Klaus Auer das Signal zum Rückzug gibt, kommt leiser Beifall auf. Nachdem die Ordnungshüter, die gegen halb vier Uhr nachts mit fünf Fahrzeugen vor der Flüchtlingsunterkunft in der Bruckstraße angerückt sind, sich in die Autos gesetzt haben und davon gebraust sind, wird daraus lautstarker Applaus. Mit einer gewaltfreien Solidaritätsaktion haben mehr als 100 Freiwillige vom Freundeskreis für Flüchtlinge in Fellbach und Unterstützer die Abschiebung eines jungen Gambiers nach Italien verhindert.

 

Modoulamin C. sei ein schüchterner Kerl, sagt Helen Klüver: „Aber total motiviert.“ Die Schmidenerin hat den gewaltfreien Widerstand gegen die Abschiebung initiiert. Sie kennt C. durch ihren Vater Thomas Klüver, der den Flüchtlingen in der Bruckstraße die deutsche Sprache beibringt. Der Gambier ist vor zehn Monaten nach Deutschland gekommen. Davor war er drei Monate in Italien, das er mit einem der voll besetzten Flüchtlingsboote erreichte. Dort wurden Fingerabdrücke von ihm genommen. Deswegen war auch sein Asylantrag in Deutschland bereits abgelehnt worden. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sollte der 23-Jährige, rechtlich abgedeckt durch die Dublin-III-Verordnung, nach Italien überstellt werden. Mit einem Schreiben war dies dem jungen Mann angekündigt worden.

Für Modoulamin C., der als Hilfshausmeister in der Hermann-Hesse-Realschule in Schmiden mitarbeitet, Deutsch-Integrationskurse besucht und bereits einen Platz für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Haus am Kappelberg hat, brach eine Welt zusammen. Zumal schon kommende Woche, am 1. Juli, eine weitere Dublin-Regelung für ihn gegolten hätte. Die besagt: Wer sechs Monate, nachdem ein Asylantrag abgewiesen wurde, nicht abgeschoben ist, für den ist im weiteren Verfahren, das Land zuständig, in dem er sich aufhält. Modoulamin C. hätte einen neuen Asylantrag stellen können, eine Anhörung bekommen – und die Chance auf eine Zukunft in Deutschland.

Polizisten kommen nicht zum Zimmer des Gambiers durch

Schon seit 1.30 Uhr gibt es Kaffee, Tee und Brezeln vor den Containerbauten in der Bruckstraße. Nicht nur viele Unterstützer von außen sind gekommen, sondern auch viele der Bewohner zeigen sich solidarisch mit dem jungen Gambier. Modoulamin C. soll mit einer Menschenblockade geschützt werden, sagt Cornelia Funk vom Freundeskreis. Anfangs ist es aber eher ein Straßenfest. Die Menschen, darunter der evangelische Pfarrer Volker Gemmrich, der Lehrer in der Hermann-Hesse-Realschule Kai Vetter, und Knut Matzen, der ehemalige FW/FD-Gemeinderat, stehen zusammen und reden. Dieser Protest richte sich auch gegen die Dublin-III-Verordnung, sagt Klemens Hueber aus Oeffingen. „Auf der Grundlage werden die Flüchtlinge hin und her geschoben, das ist einfach menschenunwürdig und kostet zudem viel Geld.“

Um drei Uhr fährt ein einsames Polizeiauto vorbei. „Die Späher erkunden die Lage“, sagt einer der Protestierer. Gut eine halbe Stunde später ist es dann soweit. Die Ordnungshüter rücken an. Erst fordern sie die Menschen auf, die Blockade aufzulösen. Doch nichts bewegt sich. Ruhig, friedlich, ausgerüstet mit Protestplakaten und Transparenten, versperren sie die Treppe und den Weg in den ersten Stock, wo Modoulamin C. wartet. Auch der Versuch, über die Hintertreppe ins Gebäude zu gelangen, misslingt. Der Flur ist voller Menschen, die keinen Schritt zur Seite weichen. Den Polizisten gelingt es nicht, bis zum Zimmer des Gambiers vorzudringen. Sie geben auf. Das einzige, was sie tun können, ist Fotos von den Demonstranten zu machen und ihre Personalien aufzunehmen. Dann gibt der Polizeichef Auer das Zeichen zum Abrücken, und mehrere der Aktivisten, darunter Helen Klüver, geben an, er habe laut gesagt: „Ihr habt die Schlacht gewonnen, aber den Krieg gewinnen wir.“

Modoulamin C. muss noch bangen, aber er kann wieder hoffen. „Ich bin allen Menschen, die sich für mich eingesetzt haben, unendlich dankbar“, sagt er.