Um viel Geld sind zwei Bürger in jüngster Zeit von Betrügern erleichtert worden. Im Interview spricht die Kriminaloberrätin Heike Seitzer über die Methoden und über Möglichkeiten, sich zu schützen.

Fellbach/Kernen – Mit einem Enkeltrick sind vor kurzem einer Seniorin 30 000 Euro abgeluchst worden, und wegen eines Gewinnversprechens hat ein Mann 4500 Euro verloren (wir haben berichtet). Kriminaloberrätin Heike Seitzer weiß noch von zusätzlichen Betrügermaschen, erzählt über das Ausspähen durch die Täter und hat Tipps parat, wie sich potenzielle Opfer schützen können.
Wie viele Fälle von Trickbetrug gab es 2014? Wie stark hat diese Zahl zugenommen?

Die aktuellen Zahlen von 2014 kann ich noch nicht nennen. 2013 wurden in Baden-Württemberg 726 Enkeltricktaten, davon 101 vollendet, mit einem Schaden von rund einer Million Euro registriert. Die Tendenz im Bereich Enkeltrick ist stark rückläufig, wobei die Tätergruppierungen derzeit weiterhin im Großraum Stuttgart mit Ausstrahlung in den Rems-Murr-Kreis sowie im Bereich Schwäbisch Gmünd sehr aktiv sind. Der Kreis war davon in eher geringem Umfang (circa 1 bis 2 Prozent aller registrierten Taten) betroffen.   Die Täter sind sehr kreativ beim Entwickeln neuer Methoden. Gibt es für Abzocker eine zentrale Datenbank, denken die sich das selber aus oder arbeiten sie im Auftrag eines Obergauners, der weltweit Menschen bezahlt, die sich Neuheiten ausdenken?

 

Hierzu liegen dem Polizeipräsidium Aalen keine Erkenntnisse vor. Wir gehen davon aus, dass im Bereich des Enkeltricks oder im Bereich des Sepa-Überweisungsbetrugs international agierende Tätergruppen aktiv sind, die sehr flexibel auf aktuelle Entwicklungen reagieren und den Modus Operandi kreativ an die jeweiligen Opfer anpassen.   Können Sie ein paar Methoden auflisten?

Derzeit stellen wir fest, dass die Täter insbesondere im Bereich des Enkeltricks, des Überweisungsbetrugs, des Vorauszahlungsbetrugs, der betrügerischen Gewinnversprechen und des „Romance Scamming“ (siehe Hintergrund) aktiv sind.   Wie finden die Täter ihre Opfer?

Die potenziellen Opfer im Bereich des Enkeltricks werden meist anhand von Telefon-CDs oder Internet-Telefonbüchern anhand von alt-deutsch klingenden, meist weiblichen Vornamen ausgewählt. Die Geschädigten beim „Romance Scamming“ werden häufig in Online-Partnerschafts-Portalen kontaktiert. Auch Firmen stehen beim Überweisungsbetrug im Focus. Hier wird nach unseren Erkenntnissen gerne mit einer „Kalt-Akquise“ gearbeitet. Beim Vorausgebührenbetrug, beispielsweise bei der Nigeria-Connection, gehen wir davon aus, dass die Täter mit einer Art Spam-Verteiler die Opfer kontaktieren. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Abmahnwellen der angeblichen Inkasso-Forderungen. Finanz- und Warenagenten werden zum Teil über Inserate („Heimarbeit oder Nebenverdienst mit guter Bezahlung“) angeworben.   Gibt es Erkenntnisse, wie oft ein Trickbetrüger anruft, um einen Coup zu landen? Gibt es eine Dunkelziffer? Manche Opfer genieren sich doch sicher und gehen nicht zur Polizei.

Eine Dunkelziffer zu nennen wäre wie ein Blick in die Glaskugel. Nach unseren Erkenntnissen betreiben die Täter einen sehr hohen Aufwand, um Opfer ausfindig zu machen und rufen auch eine große Zahl von Menschen an. In der Mehrzahl der Anrufe erkennt jedoch das Opfer die Masche. Hierbei gehen wir davon aus, dass – nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Präventionsmaßnahmen – circa 80 Prozent der Anrufe als Trickbetrug erkannt werden.   Gefühlt seit Jahrhunderten werden Menschen über Trickbetrüger aufgeklärt. Wie kann es sein, dass sogar der uralte Glas-Wasser-Trick immer noch funktioniert?

Die Täter nutzen die Hilfsbereitschaft gerade von älteren Menschen aus. Aufgrund der individuellen Lebensgeschichte, der eigenen Erfahrungen und der Werte der älteren Generation sind diese Menschen oft bereit, anderen in (vermeintlichen) Notlagen zu helfen.   Wissen Sie, ob die Täter sprachlich und/oder psychologisch geschult sind, um ihre Opfer über den Tisch ziehen zu können?

Die Täter verfügen nach unserer Erfahrung über ein ausgesprochen raffiniertes Vorgehen, vor allem bei älteren Menschen, deren situative Überforderung auszunützen. Dabei gehen sie sehr geschickt auf die Lebenssituation ihrer Opfer ein, um sie zu täuschen. Die Legenden der Täterseite sind dabei variantenreich. So wird beispielsweise Geld für einen angeblichen Auto- oder Wohnungskauf benötigt, oder Geld für die Abwicklung eines angeblichen Verkehrsunfalls benötigt. Die Täter gehen sogar so weit, dass Verschwiegenheit eingefordert wird, „es soll niemand erfahren, wofür das Geld ist, es soll eine Überraschung sein“. Die Täter sind sehr geschickt in der Gesprächsführung. Dies zeigt sich auch im Gesprächsbeginn, wo meist gefragt wird: „Rate mal, wer dran ist? Ja, weißt Du denn nicht, wer ich bin?“ Dadurch ist das Opfer gezwungen, das Gegenüber selbst zu identifizieren. Durch eine geschickte Gesprächsführung werden alle notwendigen Informationen beim Opfer erfragt, es gibt somit selbst den Tätern eine gute Ausgangsbasis für das weitere Vorgehen. Außerdem bauen die Täter einen hohen Zeitdruck auf, sodass die Opfer kaum Möglichkeiten haben, die Sache zu überprüfen.   Können Sie etwas über die Psychologie der Trickbetrügereien sagen? Was für ein Typ Mensch fällt auf den Enkeltrick rein, was für ein Typ auf ominöse Gewinnversprechen?

Im Bereich des Enkeltricks werden gezielt ältere und alleinstehende Menschen angesprochen, die generationstypisch Unterstützung, auch finanzieller Art, im Sozialverbund Familie nur mit Mühe ablehnen können. Ausgenutzt wird auch das hohe Lebensalter und damit gelegentlich eingehende Gebrechlichkeiten. Bei älteren Menschen besteht oft auch eine Fehleroffenbarungsangst gegenüber der eigenen Familie, sodass die Opfer scheuen, sich zu offenbaren. Die Täter nutzen ganz gezielt die hohe Betroffenheit und Emotionalität der älteren Menschen aus, wenn angeblich ihre Familienangehörigen in Not geraten sein sollen. Dem Opfer wird auch häufig vorgetäuscht, zur Unterstützung in der angeblichen Notlage aufgrund der familiären Bindung verpflichtet zu sein. Im Bereich der betrügerischen Gewinnversprechen werden meist Vorausgebühren gefordert, bevor eine größere Summe zu Auszahlung gelangt. Da leuchten bei manchen Angeschriebenen schon die Dollarzeichen vor den Augen auf. In ähnlicher Weise verhält es sich im Bereich der Betrugsmasche Nigeria-Connection. Hier werden Kriegswirren oder besondere geschäftliche Erfordernisse im Ausland oder auch angebliche Erbschaften vorgetäuscht. Wenn sich das Opfer auf solche Anbahnungsschreiben einlässt, wird meist schnell deutlich, dass vor einer Auszahlung der angeblichen Erbschaft oder Provision hohe „Gebühren“ zu entrichten sind.   Was empfehlen Sie zum Schutz vor Abzock-Maschen jeder Art?

Die Polizei rät zu besonderer Vorsicht bei Geldforderungen am Telefon. Seien Sie misstrauisch, wenn sich Personen am Telefon als Verwandte oder Bekannte ausgeben, die Sie als solche nicht erkennen. Geben Sie keine Details preis zu Ihren familiären oder finanziellen Verhältnissen. Lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen – denken Sie in Ruhe nach. Rufen Sie im Zweifel den „Enkel“ unter einer Ihnen vorher (!) bekannten Nummer zurück. Halten Sie nach einem Anruf mit Geldforderungen Rücksprache mit Ihrer Familie. Übergeben Sie niemals Geld an Fremde, auch nicht an einen Kurier/Freund/angeblichen Beauftragten/angeblichen Notar des vermeintlichen Verwandten.   An wen sollen sich Bürger im Misstrauensfall wenden?

Informieren Sie sofort die Polizei, wenn Ihnen ein Anruf verdächtig erscheint oder Sie Opfer eines solchen Enkeltricks geworden sind: Notruf 110 oder das Polizeirevier in Fellbach, Telefon 0711/ 5772-0.  Die Fragen stellte Gabriele Lindenberg