Nach einer aus dem Ruder gelaufenen Routinekontrolle erhebt eine Fellbacher Familie schwere Vorwürfe gegen die Polizei: Zwei Brüder würden seit Jahren von der Polizei schikaniert und rassistisch beleidigt. Der Revierleiter weist die Vorwürfe zurück.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Fellbach - Was am Dienstagnachmittag am Fellbacher Bahnhof als Routinekontrolle durch zwei Beamte begonnen hatte, endete als Einsatz mit sechs Streifenwagen und Leichtverletzten auf beiden Seiten (wir berichteten) – und womöglich mit Folgen für beide Seiten: Zwar ermittelt die Polizei jetzt gegen vier junge Leute im Alter zwischen 17 und 18 Jahren wegen Widerstands, Körperverletzung und Beleidigung. Aber die Eltern zweier Beteiligter haben nun angekündigt, Beschwerde einzulegen. Sie werfen den Polizisten Schikane vor – und Rassismus.

 

In der offiziellen Meldung der Polizei ist zu lesen, die jungen Leute hätten sich gegen 16 Uhr verdächtig verhalten und versucht, sich einer Kontrolle zu entziehen. Eine 17-Jährige habe nach einer Polizistin getreten, zwei Beamte hätten sich verletzt, als sie zwei 17- und einen 18-Jährigen unter Zwang am Boden sicherten.

Vorwurf: Sind bei Kontrollen rassistische Beleidigungen gefallen?

Nun haben sich zwei der Beteiligten und ihre Eltern zu Wort gemeldet. Ihre Version sieht anders aus: Die Polizisten hätten es regelrecht darauf angelegt, dass die Situation entgleise. Engel, das sagt die Mutter der beiden Brüder, seien ihre Söhne nicht. Einer von ihnen hätte vor einiger Zeit Sozialstunden leisten müssen. „Sie haben beide mal Mist gebaut. Das habe ich als Jugendlicher auch – und wahrscheinlich auch sonst jeder“, sagt der Vater.

Aber seitdem, davon ist er überzeugt, hätten Beamte des Polizeireviers Fellbach die beiden auf dem Kieker. „Wir werden fast jede Woche kontrolliert“, erzählt einer der Brüder. Die Beamten suchten Drogen oder Waffen – „gefunden haben sie noch nie was.“ Bei den Kontrollen, das berichten beide, „fallen sehr oft Worte wie Dreckskanaken – dabei sind wir Deutsche“.

„Na, wer hat jetzt gewonnen?“, soll ein Polizist dem am Boden Liegenden zugeflüstert haben

Bei dem Vorfall am Fellbacher Bahnhof seien sie von Polizisten provoziert worden. „Halt die Fresse, sonst schuck’ ich dich die Treppe runter – das hat einer von ihnen gesagt“, schildert einer der Jungen. Die Beamten hätten die ganze Zeit hämisch gegrinst, auch das Wort Kanake sei wieder gefallen. „Das hat mich zur Weißglut gebracht. Ich bin laut geworden – aber nicht handgreiflich“, beteuert der 17-Jährige. „Als ich am Boden lag, hat mir einer der Polizisten ins Ohr geflüstert: Na, wer hat jetzt gewonnen?“

Nicht mit allen Polizisten, erzählt sein Bruder, hätten sie solche Erfahrungen gemacht. „Später hat ein anderer mich noch einmal durchsucht, nachdem er mich ganz normal gefragt hatte. Und das war völlig okay.“ Ihnen sei auf dem Revier geraten worden, zu einem Arzt zu gehen, um ihre Verletzungen zu dokumentieren. Auch ihre Mutter hat die Blessuren fotografiert. „Sie hatten Prellungen am ganzen Körper, einer auch eine deutliche Schwellung im Gesicht und Abdrücke eines Schlagstocks an den Beinen.“

Die Entscheidung, sich mit einem Redakteur unserer Zeitung zu treffen, sei Ihnen nicht leicht gefallen, erzählt der Vater. Der Vorfall vom Bahnhof ist seit Tagen in den sozialen Netzwerken präsent – und die Kommentare gehen in verschiedene Richtungen. Manche Nutzer haben Verständnis für die schwierige Arbeit der Polizei, andere schreiben, auch sie hätten bereits negative Erfahrungen mit Fellbacher Polizisten gemacht. Anderen wiederum war das Vorgehen der Beamten noch nicht rigoros genug.

Der Revierleiter glaubt den Vorwürfen nicht

Der Leiter des Fellbacher Polizeireviers, Klaus Auer, hält den Fall dagegen für „die derzeit gängige Geschichte – Respektlosigkeit gegenüber der Polizei“. Viel will er wegen laufender Ermittlungen nicht sagen. „Aus meiner Sicht ist an diesen Vorwürfen nichts dran. Sollte eine Beschwerde eingehen, wird sie von einer anderen Stelle bearbeitet. Am Ende wird ein Gericht entscheiden.“ Er bestätigt, dass Schlagstöcke zum Einsatz kamen: „Das ist zulässig, wenn Kollegen sich in Gefahr wähnen.“

Viele Personen hatten den Vorfall beobachtet, einige davon auch Videos gemacht. Unabhängig voneinander bitten die Familie und die Polizei die Zeugen nun darum, sich beim Revier unter der Rufnummer 07 11/5 77 20 zu melden.