Seiner Nach-Nachfolgerin verspricht er: „Zu meinem 90. hauen wir wieder richtig auf die Pauke.“

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Was war das noch für ein Auftrieb vor fünf Jahren: Friedrich-Wilhelm Kiel wurde 80 Jahre jung und die Gratulanten überschlugen sich fast. Nicht nur die Stadt Fellbach spendierte ihrem ehemaligen Oberbürgermeister einen Geburtstagsempfang, auch die FDP huldigte dem früheren Landtagsabgeordneten und Landesvorsitzenden mit Sekt und Häppchen.

 

Der 85. Geburtstag des bekennenden Nicht-Schwaben fällt recht bescheiden aus

Die Nord-Ost-Ring-Gegner pflanzten für Kiel einen Walnussbaum, die Liberalen gaben einen Friedrich-Wilhelm als Tonfigur für den Gabentisch in Auftrag. Und Rathauschef Christoph Palm blieb es vorbehalten, dem als kunstbeflissenen Kleinplastik-Fan bekannten Vorgänger das wohl schönste aller Geburtstagsgeschenke zu machen: In der Alten Kelter war, von Kiel kuratiert, eine Ausstellung mit 140 Kunstwerken aus dem städtischen Fundus zu bestaunen – für einen, dessen Herz an der Triennale hängt wie sonst nur noch an seiner Frau Gretel und den drei längst erwachsenen Kindern ein bahnbrechendes Ereignis.

Im Vergleich dazu fällt der 85. Geburtstag des bekennenden Nicht-Schwaben an diesem Freitag recht bescheiden aus. Kiel, mit einem unerhörten Schaffensdrang gesegneter Vollblutpolitiker, feiert in aller Stille, Einladungen zum Gratulationsbesuch im Kelterweg wurden nicht versandt. „Wer kommen will, darf gerne kommen“, sagt der Alt-OB, der Fellbach nicht nur als Kulturkäpsele geprägt hat.

Und unter Leuten ist Friedrich-Wilhelm Kiel schließlich nach wie vor oft genug

Als Freund guter Architektur und äußerst standhafter Bauherr formte er aus dem dörflich-traditionell gestrickten Wengerterort eine aufstrebende Stadt, der Neubau des Rathauses ist mit seiner 24-jährigen Amtszeit ebenso untrennbar verknüpft wie der Bau des Stadttunnels und der Röhren durch den Kappelberg. „Der altershalber erzwungene Ruhestand hat den auf Hochtouren laufenden Rathauschef im Jahr 2000 ins politische Nichts befördert, geradezu auf dem Höhepunkt seiner oberbürgermeisterlichen Fähig-keiten“, hieß es vor fünf Jahren in dieser Zeitung über den Fellbacher Ehrenbürger.

Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Angefragt hat die Stadt durchaus, wie es um die Feierlichkeiten zum 85. steht. Die Oberbürgermeisterin Gabriele Zull wollte dem Jubilar einen schönen Geburtstagsempfang ausrichten. Doch Kiel war das zu viel. Er war schon zum 75. lieber in den Schwarzwald geflüchtet als sich an Nachrufe anmutende Festreden anzuhören, auch jetzt ist das Wochenende für die Familie reserviert. Am Freitagabend trifft die Verwandtschaft ein, am Samstag stößt ein Schulfreund aus Augsburg dazu.

Und unter Leuten ist Friedrich-Wilhelm Kiel schließlich nach wie vor oft genug. Nach wie vor ist er im Förderverein für den Besinnungsweg aktiv, nach wie vor setzt er sich gegen den Nord-Ost-Ring ein. An der Eröffnung des Gartenschau-Aussichtspunkts Belvedere hat er selbstverständlich teilgenommen, auch die Ehrung für langjährige Mitgliedschaft beim Fellbacher DLRG holte sich der gelernte Studienrat (Physik, Mathe, Sport) jüngst persönlich ab. Und deshalb hat er mit Fellbachs Rathauschefin jüngst auch einen Deal vereinbart: „Wenn ich 90 werde, hauen wir wieder richtig auf die Pauke!“