Am 28. Mai 1987 besiegelten Fellbach und Meißen die erste Städtepartnerschaft zwischen einer Stadt in Baden-Württemberg und einer Kommune in der damaligen DDR. Wir zeigen in einer Bildergalerie Fotos aus 30 Jahren Partnerschaft.

Fellbach/Meißen - Der Weg zur deutsch-deutschen Städtepartnerschaft war mühsam – und brauchte ein gerüttelt Maß an Beharrlichkeit. Mit um so größerem Stolz blickt Fellbachs Alt-OB Friedrich-Wilhelm Kiel auf den Erfolg zurück, die zumindest für Baden-Württemberg erste Annäherung an eine Kommune hinter dem Grenzzaun vor mehr als drei Jahrzehnten eingefädelt zu haben. Lange bevor die Mauer fiel, nahmen Fellbach und Meißen an der Elbe freundschaftliche Beziehungen auf.

 

„Diese Partnerschaft ist ein Pfund für Fellbach“, sagt der frühere Rathauschef noch heute über die Verbindung. Um Kontakt mit einer Kommune in der DDR zu knüpfen, hatte Friedrich-Wilhelm Kiel zahlreiche Briefe in den Osten gesandt, die Bitte um einen geeigneten Kandidaten landete fast ein halbes Dutzend Mal auf dem Schreibtisch des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker.

Die Überraschung war groß, als eine Depesche im Fellbacher Rathaus einging und den Besuch des Meißner Oberbürgermeisters Klaus Däumer ankündigte.

Beantwortet freilich wurde keines der Schreiben. Erst im März 1987 kam plötzlich Bewegung in die Suche. Kiel vermutet, dass die 1986 zwischen Fellbach und dem ungarischen Pécs geschlossene Partnerschaft in gewisser Weise als Türöffner diente. „Nur die Partei hatte etwas zu sagen“, blickt der Alt-OB zurück.

Die Überraschung war deshalb groß, als eine Depesche im Fellbacher Rathaus einging und den Besuch des Meißner Oberbürgermeisters Klaus Däumer ankündigte. „Spätestens mit diesem Zeitpunkt wusste ich, wie akribisch die Stasi arbeitet“, erinnert sich der 83-jährige Kiel. Fellbachs Stadträte hatten nämlich Jahre zuvor bei einer Fahrt in die DDR in Frage kommende Kommunen besucht. Bei einer Abstimmung hatten sich die Bürgervertreter einhellig für Meißen ausgesprochen, auf den zweiten Platz der Wunschliste kam Dessau.

Das Votum blieb nicht unbemerkt. „Wir sind bereit, den ersten Schritt zu tun“ hieß es im Schreiben aus Meißen. „Dann ging alles ganz schnell“, sagt Kiel. Eine achtköpfige Delegation kam mit dem Zug nach Fellbach gereist, zum Essen ging es ins Waldschlössle. Nicht beim ersten, sondern beim zweiten Handschlag habe er gemerkt, „dass die Chemie mit Däumer stimmt“. Er habe dem OB-Kollegen einen Verdauungsspaziergang vorgeschlagen, erzählt Kiel – und schmunzelt noch heute, wie die beiden sportlichen Rathauschefs einen Zahn zulegten, um die Begleiter von der Stasi hinter sich zu lassen und auf der Steigung Richtung Rotenberg einigermaßen unbehelligt einige Worte wechseln zu können.

Jedes Telefonat und jede Begegnung in den 30 Monaten von der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde bis zum Mauerfall sind festgehalten

Wie stark Kiel im Visier der Stasi war, davon zeugen dicke Ordner aus Berlin und Dresden, die der Alt-OB mittlerweile besitzt und genau studiert hat. Jedes Telefonat und jede Begegnung in den 30 Monaten von der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde bis zum Mauerfall sind festgehalten. „Um mit Meißen sprechen zu können, mussten wir die Telefonate anmelden,“ weiß Kiel, dass seine Sekretärin Ruth Dura oft einen ganzen Tag auf eine Verbindung gewartet habe. Bei seinem ersten Besuch musste Däumer übrigens auch dem Vorsitzenden der Fellbacher DKP-Ortsgruppe seine Aufwartung machen.

Am 28. Mai 1987 wurde in Meißen dennoch die unverkennbar an den Sprachgebrauch der DDR erinnernde Partnerschaftsurkunde unterzeichnet. Beim Fellbacher Herbst des gleichen Jahres kam es unterm Kappelberg zum zweiten Akt. Nach dem Fall der Mauer sandte Fellbach stätische Mitarbeiter als „Aufbauhelfer“ ins Meißner Rathaus, die Feuerwehr pflegte Freundschaften, die Wengerter pflanzten Rebstöcke an der Elbe.

Alt-OB Kiel und seine Nachfolgerin Gabriele Zull haben vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion im Meißner Rathaus an die bewegte Historie erinnert – und die mit der deutsch-deutschen Partnerschaft verbundenen Hoffnungen aufgefrischt. Der 83-Jährige hatte gehofft, auch beim Nachwuchs wieder Euphorie zu wecken und für eine lebendige Verbindung zu werben. Jugendliche waren zum 30-jährigen Bestehen aber leider nicht geladen.