Gabriele Zull hat sich bei der Wahl um das Amt des Rathauschefs in Fellbach klar durchgesetzt – und die Stadt hat sich gegen Experimente entschieden.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Fellbach hat gewählt – und seiner neuen Oberbürgermeisterin am Sonntag mit 61,2 Prozent einen beachtlichen Vertrauensvorschuss beschert. Mit Gabriele Zull erklimmt eine Frau den Chefsessel im Fellbacher Rathaus, die das Verwaltungshandwerk von der Pike auf gelernt hat. Ihre berufliche Karriere begann die bisherige Göppinger Sozialdezernentin im Rechtsreferat; der Bereich Sicherheit und Ordnung sowie die Hauptverwaltung waren weitere Stationen der in Reutlingen aufgewachsenen 49-Jährigen. 2011 erhielt die Mutter eines zehnjährigen Sohns mit der Wahl zur Ersten Bürgermeisterin nicht nur die Zuständigkeit über insgesamt 550 Mitarbeiter, sondern auch über Ordnungsamt und Sozialbereich, die Schulen, den Sport, die Kultur und das Stadtmarketing.

 

Wie ein Rathaus funktioniert und eine kommunale Verwaltung möglichst effektiv organisiert wird, muss der Juristin nach dieser Bilderbuch-Laufbahn niemand erklären. Gabriele Zull weiß, wovon sie spricht. Diese Fachkompetenz haben die Fellbacher Wähler gespürt – und bei der Stimmabgabe am Sonntag auch honoriert. Ungeachtet aller politischen Inhalte überwog bei der Mehrzahl der Bürger das Vertrauen, dass die 49-Jährige an der Stadtspitze einen guten Job machen wird.

Im Wahlkampf hatte sich Gabriele Zull als zielorientierte Verwaltungsfrau präsentiert, die mit klaren Vorstellungen und verlässlichen Standpunkten die Arbeit des scheidenden Vorgängers Christoph Palm fortsetzen will. Deutlich wurden der Fleiß und die Beharrlichkeit, mit dem sie die Nähe zur Wählerschaft suchte. Ob sie auch Gestaltungskraft besitzt, muss die Juristin allerdings erst noch beweisen. Von ungewöhnlichen Ideen war im Wahlkampf eher selten die Rede, statt einer Zukunftsvision für die Stadt unterm Kappelberg gab es bei Podiumsdiskussionen vor allem ein an der Praxis orientiertes „Weiter so“ zu hören.

Den Nerv getroffen

Das traf zweifellos den Nerv einer deutlichen Mehrheit – und ist als Ergebnis der OB-Wahl ein Triumph fürs Fellbachs Christdemokraten und Liberale. Sie hatten die Fachfrau aus dem Filstal bereits frühzeitig aufs Favoritenschild gehoben. Der Plan, der politischen Konkurrenz mit einem Frühstart in den Wahlkampf den Wind aus den Segeln zu nehmen, ging auf – auch wenn sich nicht wenige Bürger an der Vorauswahl störten. Auch die bewusste Suche nach einer weiblichen Bewerberin erwies sich als ausgesprochen cleverer Schachzug. Unterm Strich also haben die konservativen Wahlstrategen alles richtig gemacht. Der intern gekürten Kandidatin gelang ein überzeugender Start-Ziel-Sieg.

Auch mit Blick auf diese politischen Kräfteverhältnisse sind die 34,2 Prozent, die Herausforderer Carsten Hansen am Sonntag erhielt, als Erfolg zu werten. Dem trotz eines SPD-Parteibuchs bewusst als unabhängiger Kandidat antretenden 51-Jährigen gebührt das Verdienst, die OB-Kür zur Wahl gemacht zu haben. Mit seinem Blick über den Tellerrand und einer offenen und unaufgeregten Art machte der bekennende Fahrrad-Freund in Fellbach mehr als nur eine gute Figur. Trotz der nicht zu unterschätzenden „kulturellen Barriere“ gewann das in der Nähe von Hamburg aufgewachsene und erst im Studium mit dem Südwesten in Kontakt gekommene Nordlicht in Fellbach in kurzer Zeit viele Sympathien.

Dass es für Carsten Hansen nicht zu einem besseren Ergebnis reichte, lag trotz professionell geführtem Wahlkampf auch am späten Zeitpunkt der Kandidatur. Als er den Hut in den Ring warf, hatte sich seine Kontrahentin längst einen Kreis einflussreicher Fürsprecher erarbeitet. Um den Rückstand aufzuholen, trat Hansen trotz aller Eloquenz zu wenig angriffslustig auf. Mit seinen abwägenden und von Sachverstand geprägten Aussagen vermittelte Hansen eher die Verlässlichkeit, die auch seine Konkurrentin für sich reklamiert.

Übrigens: Dass im Fellbacher Rathaus künftig eine Frau den Ton angibt, ja mit der Oberbürgermeisterin Gabriele Zull und Baudezernentin Beatrice Soltys das Führungstrio mehrheitlich weiblich besetzt ist, spielte im OB-Wahlkampf nicht die geringste Rolle. Auch das ist ein Signal.