Die Landesregierung hat die Stadt Fellbach für eine Serie von so genannten „Fußverkehrs-Checks“ ausgewählt. Bürger, Verwaltung und Politik bewerten die aktuelle Situation für Fußgänger und machen Verbesserungsvorschläge.

Fellbach - Ein roter Kringel auf der Stadtkarte zeigt den Problempunkt. Aus der Lämmlerstraße führt ein für Autos befahrbarer Weg aus dem angrenzenden Wohngebiet zum Einkaufszentrum in der Stuttgarter Straße. Der Zebrastreifen, der über die Hauptverkehrsachse führt, ist exakt dort, wo die Autos in die viel befahrene Straßen ein- und ausbiegen. Bei diesem Zustand soll es nicht bleiben.

 

Dass sich dort und anderswo gelegentlich die Interessen von Fußgängern und Autofahrern widersprechen, hat die Stadtverwaltung erkannt. In ihren Blick sind mit dem im Jahr 2013 vom Gemeinderat beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan zum Auto-, Bahn-, Bus- und Radverkehr auch Fußgänger gerückt: „Fußgänger sollen überall dort, wo Menschen wohnen, arbeiten, einkaufen, sich aufhalten und verweilen möchten weitgehende Priorität gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern erhalten“, heißt es dort.

Die Landesregierung hat ein Herz für Fußgänger

Bei den jetzt anstehenden konkreten Planungen kommt Bürgermeisterin Beatrice Soltys und der Stadtverwaltung entgegen, dass auch die Landesregierung vor kurzem ihr Herz für Fußgänger entdeckt hat. Die Stadt Fellbach wird Modellkommune – eine von 15 im Land – und ausgewählt für die landesweiten Fußverkehrs-Checks in Zusammenarbeit mit Bürgern und unterstützt von einem Planungsbüro, dessen Kosten die Landesregierung tragen wird.

Die Aktion des Verkehrsministeriums soll Städte und Gemeinden sensibilisieren, damit Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, in der Verkehrsplanung besonders berücksichtigt werden. „Ziel der Fußverkehrs-Checks ist es, den Fußverkehr bei Politik und Verwaltung als eigenständige und wichtige Mobilitätsform ins Bewusstsein zu rücken“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Schwierige Situationen benötigen Kompromisse

Bürgermeisterin Beatrice Soltys ist sich bewusst, dass dafür noch viel zu tun ist in Fellbach: „Eigentlich könnte man wegen der schmalen Gehwege um den gesamten südlichen Teil von Fellbach einen roten Kringel machen.“ Und wenn unterschiedliche Interessen im engen Straßenraum aufeinander stoßen, wie etwa in der nördlichen Bahnhofstraße, wird die Situation nur mit Kompromissen zu bereinigen sein.

Eine kontroverse These nennt die Baubürgermeisterin zur Bahnhofstraße schon: „Es wird nicht anders gehen, als dass der Fahrradverkehr dort herausgenommen wird.“ Eine Fahrradstraße könnte in der Theodor-Heuss-Straße als besseres Angebot anstelle der engen Radwege neben einem ebenso schmalen Gehweg als Weiterführung aus der Pfarrer-Sturm-Straße entstehen.

Ohne Schreck über Fahrradklingel unterwegs

Auf den Gehwegen der nördlichen Bahnhofstraße sollen die Menschen dagegen ohne Schreck über Fahrradgeklingel und ohne sich selbst zu gefährden, wenn sie beim Ausweichen auf den Radweg treten, flanieren, die Geschäfte und Gastronomie aufsuchen und gemütlich auch vor den Cafés im Freien sitzen können.

Die derzeitige Diskussion über Tempo 30, 40 oder 50 für die Autofahrer greift an dieser Stelle zu kurz, davon ist die Fellbacher Baubürgermeisterin überzeugt. „Bisher haben wir die Bahnhofstraße weitgehend aus Sicht des Autofahrers diskutiert. Es wird nun interessant, was noch vor uns steht.“

Die Ampelregelung wird neu geprüft

 Den von Minister Hermann angeregten Einstieg der Städte und Gemeinden „in eine systematische Fußverkehrspolitik“ hält Bürgermeisterin Soltys für nötig und nennt ein kleines Beispiel: „Wir haben bisher oft nicht beachtet, wie lange bei einer bestimmten Ampelregelung die Fußgänger auf ihr Grün warten müssen,“ sagt sie selbstkritisch. Dieses gängige Versäumnis in den Rathäusern ist geeignet, Fußgängern die Freude am Aufenthalt in der Stadt zu nehmen.

Der sich langsam durchsetzende genaue Blick auf die Bedürfnisse der Fußgänger ist ein bemerkenswerter Wandel. Statt diese wie früher nur als Menschen auf dem Weg von und zu ihrem Fahrzeug zu begreifen, ist zuletzt die früher oft vergessene Erkenntnis gereift, dass umgekehrt jeder Verkehrsteilnehmer zwangsläufig Fußgänger ist. „Fußverkehr ist Basismobilität für alle“, sagt der Verkehrsminister. Im Verkehrsentwicklungsplan aus dem Jahr 2013 stellt der Gemeinderat der Stadtverwaltung zur Aufgabe: „Höchste Priorität hat die Sicherung von Fußwegen, insbesondere von Schulwegen. Behinderungen, Belästigungen und Gefährdungen durch andere Verkehrsteilnehmer sollen minimiert werden.“

Die Remstal Gartenschau im Blick

Um dies zu verwirklichen, sieht Beatrice Soltys viele Aufgaben: Nach dem Ende der Bauarbeiten muss der Straßenraum rund ums Wüst-Gelände ebenso nach den neuen Prinzipien gestaltet werden wie um den Wohnturm herum. Das Konzept des Rathaus-Carrées soll nach dem Willen der Stadtväter in weitere angrenzende Straßenzüge hinaus verwirklicht werden. „Und wir haben auch noch zwei andere Ortszentren“, erinnert die Bürgermeisterin. Auch für die Remstal Gartenschau 2019 werden sich neben den laufenden Verbesserungen Aufgaben in der Tainer Straße oder rund um die Schwabenlandhalle ergeben. Beatrice Soltys sagt: „Wir müssen uns fragen: Hat das alles noch Qualität?“