Tausende feiern den Neustart des Fellbacher Herbstes bei goldenem Oktoberwetter. Auch der verkaufsoffene Sonntag zeigt sich als Magnet trotz diverser Lücken in der Meile.

Die drei Kanonenschläge zum Start des Fellbacher-Herbst-Umzuges an der neuen Kelter fehlten in diesem Jahr – eine folgerichtige Entscheidung in Zeiten des Ukraine-Krieges. Doch nach zwei Jahren ohne einen „richtigen“ Fellbacher Herbst und somit auch ohne Umzug freuten sich viele wieder darauf, lebenslustig und dankbar das große Fellbacher Erntefest zu feiern.

 

Zahlreich säumten sie die Straßen, durch die sich am Samstagnachmittag bei schönstem Wetter der bunte Lindwurm auf seinem Weg zum Festgelände schob. Gedränge gab es aber nur stellenweise, wer ein freies Plätzchen am Straßenrand suchte, wurde immer fündig. Manche Anwohner der Umzugsstrecke reichten Stühle durchs Fenster und stellten sie am Straßenrand auf, stießen mit einem Viertele mit Nachbarn und Passanten an. Viele Besucher aus der weiteren und näheren Umgebung zeigten sich froh und dankbar, dass überhaupt wieder so ein großes Fest stattfinden konnte. „Ich komme immer aus Stuttgart und finde das hier wunderbar“, sagte beispielsweise Iris Miller. Musik- und andere Vereine, Schulen und Mitbürger aus aller Herren Länder, insgesamt fast 50 Fußgruppen und geschmückte Wagen, beteiligten sich am Umzug.

Wobei die Meinungen über die Originalität der Beiträge durchaus auseinander gingen. Ein älterer Fellbacher und jahrzehntelanger Umzugsbeobachter vermisste vor allem die großen Festwagen, die schon oft mit inspirierenden Ideen das Herbstmotto aufwendig in Szene gesetzt hatten. „Oifach a Hemmadle ozieha ond mitlaufa – des isch doch nix“, mokierte er sich.

Eine riesige Friedenstaube wird mit viel Beifall bedacht

„Mehr als 120 Nationen, die glücklich unterm Kappelberg wohnen. Fellbach will in Frieden leben, zwischen Stadt und vollen Reben“ – so lautete das Herbstmotto und dazu gab es durchaus pfiffige Umsetzungen. Die Schüler der Zeppelinschule beispielsweise trugen Friedenstauben durch die Straßen, im nachgebauten Kappelberg auf einem kleinen Wagen steckten die Länderflaggen der bunten Fellbacher Bürgerschaft. Auch der geschmückte Festwagen des CVJM mit einer riesigen Friedenstaube, die diese Fahnen unter ihren Flügeln trug, wurde mit viel Applaus bedacht.

Sehr hübsch war auch die Idee der Maickler-Schüler, die im Fellbacher Stadtwappen die Wolfsangeln in Friedenstauben umgewandelt hatten. Die Kinder trugen bunte Luftballons rund um ihre Körper, die sie wie reife Trauben aussehen ließen.

Körperlich richtig ins Zeug legten sich die türkischen Mitbürger, die bei mehreren Stopps traditionelle Tänze aufführten und die Brasilianisch Deutsche Interessengemeinschaft, die Elemente der Kampfkunst Capoeira darboten und deren jugendliche Vertreter eifrig Kopfstand und Radschlag auf dem harten Asphalt zeigten. Ein wenig enttäuscht waren einige der jüngsten Umzugsbesucher am Wegesrand: „Früher wurden viel mehr Süßigkeiten verteilt“, stellten einige Eltern mit Kindern fest. Immerhin – den Zähnen tut das gut.

Das Thema Frieden prägt auch die Rede von OB Gabriele Zull

Das Thema Frieden zog sich auch durch die Festrede von Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull. „Frieden ist die Grundvoraussetzung, um für alle ein lebenswertes Leben zu ermöglichen“, sagte sie. Frieden beginne bei uns, in der Familie, vor der Haustüre, mit den Nachbarn, in der Gesellschaft, zitierte sie das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Frieden- und Konfliktforschung. Auch angesichts der Vielzahl der Umbrüche, appellierte sie, nicht den Mut zu verlieren. Entscheidend sei, wie man mit dem Verlust von sicher geglaubten Bedingungen umgehe und forderte zum Mitgestalten auf. „Frieden und Freiheit werden nicht einfach geschenkt, sie benötigen Mitstreiter, die sich dafür einsetzen.“ Auch hier in Fellbach spüre man die Ergebnisse des Klimawandels. „Erst etwas schleichend, jetzt sehr deutlich.“ Anstrengungen gegenzusteuern, seien zwar da, aber unzureichend. „Wir sind zu langsam, aus der Dampflok muss ein ICE werden – ohne die üblichen Verspätungen“, so die OB.

Es ist offenbar ausgemacht, dass die Sonne beim verkaufsoffenen Herbstsonntag mitmacht. Am Wochenende zuvor hätte man in Gummistiefeln flaniert – nun schlenderten Tausende bei Spätsommerfeeling durch die Straßen. An dem Tag verwandelte sich die Meile vom Bahnhof bis zum Rathaus-Carrée in eine lange Fußgängerzone. Es gab Neues zu Entdecken – erstmals dabei war der neue Wolle-Laden in der Cannstatter Straße. Die Nachfolger, die in die ehemaligen Räume der Bäckerei Grau einziehen, stellten sich ebenso vor. Doch manche lieb gewonnene Attraktion wurde vermisst, wie etwa das Riesentrampolin, die Hüpfburg oder die Ballonkünstlerin und immer wieder gab es Lücken. Dennoch hatte der verkaufsoffene Sonntag Magnetwirkung. Ein Ehepaar aus Remseck kam beispielsweise trotz des Kastanienbeutelfestes in ihrer Umgebung her. „Wir wollten etwas Neues kennenlernen, es ist sehr informativ, was es alles hier gibt“, sagten sie unisono und stürzten sich ins Getümmel.