Das Gebiet auf dem Kappelberg gilt mit seinen Pflanzen und der Tierwelt als besonders schützenswert. Doch erkennbare Schleichwege zeigen, dass Radfahrer und Fußgänger das Betretungsverbot missachten. Nun kommen neue Schilder. Ob sie helfen?

Fellbach - Spaziergänger, Radfahrer, Mountainbiker, Geocacher, Pilzsammler und Reiter – sie alle halten sich gern in der Natur auf. Wald und Wiesen gerade in städtischer Umgebung sind entsprechend stark frequentiert.

 

Konflikte zeigen sich immer wieder

Doch die Interessen der Nutzer decken sich nicht immer, sie lösen nicht selten Auseinandersetzungen aus. Auch die Jagdpächter schauen kritisch auf das Freizeitverhalten, und die Forstbehörde achtet auf den Schutz des Waldes. Konflikte zeigen sich immer wieder. Erst kürzlich berichtete unsere Zeitung über die Befürchtungen von Jägern, dass Mountainbiker auf dem Kappelberg ihr Terrain ausweiten könnten – oder gar offiziell ein entsprechender Trail eingerichtet wird und möglicherweise deutlich mehr Publikum anzieht. Zahlreiche Leserbriefe zeigten in der Folge, dass es oft an gegenseitigem Verständnis hapert.

Die Corona-Situation hat zu einer Zuspitzung der Lage beigetragen, weil der Kappelberg nun mehr als üblich von Sportlern und Erholungssuchenden frequentiert ist. Ein besonders schützenswertes Areal ist etwa die Steppenheide am Rand der Kappelberg-Ebene, sie gehört zu den sogenannten FFH-Schutzgebieten der Europäischen Union, die sich Fauna und Flora widmet.

Um die Artenvielfalt der Steppenheide zu erhalten, muss das Gebiet vor dem Betreten oder gar Befahren geschützt werden. Bislang war rund um das Gebiet ein kleiner Zaun beziehungsweise Draht angebracht.

Geschützte Blumen und Gräser werden immer wieder gepflückt

„Diese Absperrung hat im Laufe der Zeit deutlich gelitten und muss ersetzt werden“, sagt der Förster Stefan Baranek. Immer neue und immer breiter werdende Schleichwege durchkreuzen inzwischen dieses Naturschutzgebiet, Folgen unsachgemäßen Umgangs sind zu sehen, teils auch mutwillige Zerstörung. Manche Spuren sind eindeutig: Es müssen Mountainbiker sein, die in dem steilen Gelände ihre Fahrkünste unter Beweis stellen. Aber auch geschützte Blumen und Gräser werden immer wieder gepflückt.

Seit Längerem ist geplant, die bislang schon bestehende informierende Beschilderung zu erweitern und auf die Besonderheiten des Habitats zu verweisen. Auf der Steppenheide wachsen beispielsweise Orchideen, auch Ringel- und Schlingnattern finden hier ihren Lebensraum.

„Durch die Corona-Pandemie hat sich die Situation auf dem Kappelberg im Frühling und Sommer immer weiter verschärft“, sagt Stefan Baranek.

Auch beim Kreisforstamt sieht man Handlungsbedarf

An jedem der deutlich sichtbaren Schleichwege wurden deshalb Anfang Juli von Mitgliedern des Fellbacher Naturschutzbundes (Nabu) 16 provisorische Schilder aufgestellt, die auf das Betretungs- und Durchfahrverbot hinweisen. Diese Schilder sollen nach und nach durch hochwertige Schilder und Info-Tafeln ersetzt werden, die dann dauerhaft bleiben. „Bei dieser Aktion hatten wir einige gute Gespräche mit Mountainbikern und Fußgängern“, sagt Michael Eick vom Nabu. Allerdings wurden schon wenige Tage später zwei der Schilder mutwillig herausgerissen und in den Wald geworfen. Ein Zeichen, dass sich manche Leute offenkundig recht schwer tun mit dem Naturschutz.

„Wir brauchen hier eindeutige Schilder mit offiziellem Charakter, also etwa ‚Schutzgebiet - betreten und befahren verboten’“, ist Michael Eick überzeugt. Um eine Einzäunung und regelmäßige Kontrollen werde man nicht herumkommen, glaubt Eick. Auch beim Kreisforstamt sieht man Handlungsbedarf.

Ortsfremde Biker sollten entsprechend in Kenntnis gesetzt werden

Zu einem runden Tisch wurden auch Mountainbiker eingeladen. „Nach einem Auftaktgespräch wurden Regionalgruppen gegründet. Wo es möglich ist, sollen legale Trails angelegt werden in der Hoffnung, dass andere Bereiche dadurch nicht mehr befahren werden“, sagt Leonie Ries von der Pressestelle des Landratsamts.

Trotz Ansätzen wie diesen: Gerhard Brenner, Gemeinderat für das Bündnis 90/die Grünen in Korb, ist frustriert. Bereits vor Jahren habe man sich mit der Fahrradabteilung des Sportclubs Korb zusammengesetzt und einen Trail zur Verfügung gestellt. Die Downhiller hätten ihr Wort gegeben, außerhalb dieses Trails keine neuen Bahnen mehr zu schlagen und bereits existierende Routen in Naturschutzgebieten nicht mehr zu befahren. Ortsfremde Biker sollten entsprechend in Kenntnis gesetzt werden. „Leider hat sich hier gar nichts verbessert, die Versprechen wurden nicht umgesetzt, alles blieb wie zuvor“, moniert Brenner, selbst ein leidenschaftlicher Biker – aber auch Naturschützer. „Am besten 1,50 Meter hohe Zäune um alle Naturschutzgebiete“, empfiehlt er nun sarkastisch.

An der Fellbacher Steppenheide am Hinteren Berg, die auch von der Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins mit betreut wird, gibt es noch keine Probleme in diesem Umfang. „Das Gelände ist erstens hüfthoch eingezäunt und zweitens sehr steil“, sagt Günter Schramm vom Vorstandsteam des Vereins.

Der Schutz von Lebensräumen

Fauna-Flora-Habitate, kurz FFH, sind Gebiete, die unter die im Jahr 1992 festgelegten Naturschutz-Richtlinien der Europäischen Union gestellt wurden. Sie dienen der Erhaltung der natürlichen Lebensräume wild lebender Tiere und Pflanzen. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hat zum Ziel, Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Die Vernetzung dient der Bewahrung, (Wieder-)herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse.

Welche Gebiete für dieses Schutzgebietsnetz ausgewählt werden – genauer, welche Arten und Lebensraumtypen geschützt werden sollen – ist in verschiedenen Anhängen der FFH-Richtlinie ausführlich aufgeführt. Die Liste umfasst momentan bundesweit 5267 FFH- und Vogelschutzgebiete.