Wengerter schwärmen über den Jahrgang. Die erste Trockenbeerenauslese ist schon geerntet. Sommerhitze und Wasserknappheit haben perfekte Trauben und großartige Weine geschaffen.

Fellbach - Weingenießer dürfen gespannt sein. Wenn die Weine des Jahres 2015 eingeschenkt werden, wartet großer Genuss. Denn Sommerhitze und Wasserknappheit, die manchen Wengerter schon Böses befürchten ließen, haben perfekte Trauben und großartige Weine geschaffen. „Alles super“ heißt es unisono bei den Fellbacher Wengertern. „Die Reife war perfekt und auch die Menge letztlich gut“, sagt Thomas Seibold, Vorstandsvorsitzender der Fellbacher Weingärtner. Stoffige, saftige Weine habe der Kunde zu erwarten, die jetzt schon im Keller Freude machten. Der Spätburgunder zeige sich „knackig und doch filigran“. Die Öchslegrade hätte man hier bei längerem Abwarten bis auf 115 hochreizen können, aber das wolle man gar nicht mehr, sagt Seibold. Die Balance zwischen Säure und Aromatik muss stimmen. Egal welche Sorte: Dieser Jahrgang verspreche durchweg reintönige Weine mit hohem Ausdruck.

 

Stabile Säure, tolle Aromen

Öchslegrade spielen also längst nicht mehr die Hauptrolle bei der Bestimmung der Reife. „Wir haben geerntet wie in Südafrika und Neuseeland und uns vorrangig an PH-Wert und Säure orientiert“, sagt Markus Rienth, Juniorchef vom Weingut Rienth. Die Lese hat man auch im Weingut Aldinger deshalb recht zügig abgewickelt: „Solche perfekten Trauben haben selbst mein Vater und Schwiegervater noch nie gesehen“, sagt Gert Aldinger und lobt den Jahrgang als „großartigst“. Eine stabile Säure, tolle Aromen: „Die Öchslegrade blieben erstaunlicherweise irgendwann stehen, und so ist auch der Alkoholgehalt wunderbar“, sagt Aldinger. Zwei Wengert Riesling in der Hoffnung auf Eiswein und Beerenauslese habe er noch draußen.

Stundenlang von Hand sortiert

Die Fellbacher Weingärtner ernteten schon am letzten Lesetag eine Trockenbeerenauslese: „Wir haben stundenlang von Hand sortiert“, sagt Thomas Seibold und ist von der Dichte dieser „Krone der Weinschöpfung“ beeindruckt. Auch Markus Heid hat noch Riesling-Trauben am Stock hängen lassen, aber er wird die Essenzen aus diesen Beeren zur rechten Zeit einigen Weinen zufügen: „Aromakomponenten ergänzen, ein bisschen spielen, ein wenig würzen“, nennt er das. Aufgabe im Keller sei nun, aus den insgesamt perfekten Weinen die Qualitätsabstufungen herauszuarbeiten: „Die Qualitäten sind nah zusammen gerückt“, befindet Heid.

Während die meisten Wengerter von mittleren Erträgen sprechen, erntete Rainer Schnaitmann sogar fünf Prozent mehr als im Vorjahr: „Das passt, denn wir erzielten die letzten fünf Jahre nur durchschnittlich 45 Liter vom Ar.“ Weil er mit Weißweinen generell knapp ist, spekulierte Schnaitmann auch nicht auf Eiswein oder Beerenauslese. Dafür produziert er einen sogenannten Orange Wine: Er hat Silvanertrauben ungewöhnlich lang auf der Maische gelassen und in großen Holzfässern vergoren. Solche „Naturweine“ sind der neueste Schrei: „Es ist spannend, das auszuprobieren.“

Neupflanzungen mit Wassergaben unterstützt

Markus Rienth hat seinen Primus bereits abgefüllt, seine Spezialität ist ab jetzt zu haben. So seien die primären Fruchtaromen zu schmecken, aber auch eine längere Lagerung bekomme dem schwäbischen Primeur. Sechs Wochen fuhr Rienth im Sommer etwa eine Million Liter Wasser in Junganlagen. Alte Reben wurzeln tief, aber Neupflanzungen haben viele Wengerter mit Wassergaben unterstützt.

In Fellbachs jüngstem Weingut Johannes B. herrscht ebenfalls Begeisterung über den Jahrgang, und Johannes Bauerle will den Weinfreunden eine Überraschung bieten, über die er sich aber noch in Schweigen hüllt. „Was im Keller heranreift, macht einfach Freude“, sagt er.

Auch in Stetten schwärmt man von hervorragenden Weinen: „Die Sorge, dass Säure fehlen könnte, hat sich nicht bewahrheitet“, sagt Moritz Haidle. Die Rieslinge seien frisch, die Lese habe dank der perfekten Trauben zehn Tage weniger gedauert als üblich. Aus Riesling, den er noch an den Reben hängen hat, werde Beerenauslese, Trockenbeerenauslese oder Eiswein: „Wir beobachten Trauben und Wetter und entscheiden dann“, sagt Haidle.

Die Wengerter hoffen nun auf ausreichend Winterfeuchte, die der Boden unbedingt brauche. Und Gert Aldinger tippt auf einen kalten Winter: „Vieles in der Natur deutet darauf hin“, sagt er.