Gut 1600 Interessenten pilgern am Montagabend zur offiziellen Vorstellungsrunde in die Fellbacher Schwabenlandhalle.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Über mangelndes Interesse an ihrer Person können sich die noch fünf Bewerber um den Chefposten im Fellbacher Rathaus wahrlich nicht be-klagen. Die offizielle Vorstellungsrunde zur OB-Wahl lockte am Montagabend gut 1600 interessierte Besucher in die Schwabenlandhalle. Die beachtliche Resonanz könnte ein Fingerzeig sein, dass sich viele Fellbacher noch nicht auf einen bestimmten Kandidaten festgelegt haben – oder aber, dass die Wähler nach einem bedingt durch die Sommerferien wochenlang nur auf Sparflamme köchelnden Wahlkampf die Chance nutzen wollten, sich selbst ein Bild von den Kandidaten zu machen.

 

Der Hölderlinsaal reicht nicht aus, um die vielen interessierten Menschen zu fassen

Der Hölderlinsaal reichte jedenfalls nicht aus, um die Menschen zu fassen, die das neue Stadtoberhaupt sechs Tage vor der Stimmabgabe persönlich in Augenschein nehmen wollten. Per Videobeamer wurde die Veranstaltung in den ebenfalls bestuhlten Hesse- und den benachbarten Mörikesaal übertragen. Dabei hielt sich der Erkenntnisgewinn am Montagabend durchaus in Grenzen. Ob bei der persönlichen Vorstellung oder der Präsentation der politischen Schwerpunkte – zur Sprache kam in der Schwabenlandhalle kaum etwas, was nicht schon in den vergangenen Wochen zu hören oder zu lesen gewesen wäre.

Zull gibt sich als zielorientierte Gestalterin

Die von CDU und Liberalen frühzeitig aufs Favoritenschild gehievte Göppinger Sozialbürgermeisterin Gabriele Zull (49) gab sich auch bei der Vorstellungsrunde als zielorientierte Gestalterin, die mit klaren Vorstellungen und verlässlichen Standpunkten die Arbeit des scheidenden Rathauschefs Christoph Palm fortsetzen will. „Die Erfolgsgeschichte der Stadt Fellbach beruht nicht auf einsamen Entscheidungen sondern auf konstruktivem Austausch und der Nähe zu den Menschen“, versprach sie. Zur Beschreibung ihres Politikstils wich die Juristin auf die Sportwelt aus und nannte „Leistungswille, Teamgeist, Zielstrebigkeit und Fairness“, nannte sie als Attribute. Als inhaltliche Schwerpunkte sieht Zull den Mangel an Wohnraum, die Suche nach Verkehrslösungen und den Ausbau von Bildung und Betreuung. Auch den Verlust an Sicherheitsgefühl sprach sie als ernst zu nehmende Sorge an.

Hansen versucht mit seiner Kompetenz als Verwaltungswissenschaftler zu punkten

Der als aussichtsreicher Konkurrent geltende Carsten Hansen (51) bemühte sich, in seiner Vorstellungsrede mit seiner Kompetenz als Verwaltungswissenschaftler zu punkten. Frei nach dem Motto „Erst denken, dann reden“, stellte er sich als mit Weitsicht und Fachwissen agierender Moderator dar. Bezahlbarer Wohnraum, eine verstärkte Wirtschaftsförderung, zukunftsweisende Verkehrslösungen und generationengerechtes Wohnen nannte er als zentrale Aufgaben. „Meine berufliche Erfahrung passt genau zu den Anforderungen, vor denen Fellbach steht“, sagte Hansen. Dass er sich als Nordlicht in Fellbach bewirbt, begründete der Referatsleiter mit hoher Lebensqualität und kultureller Vielfalt, aber auch der besonderen Identität der Stadt unterm Kappelberg.

Der Pädagoge Ulrich Raisch gibt sich kämpferisch

Kämpferisch gab sich der in Fellbach aufgewachsene Pädagoge Ulrich Raisch (55). Nach einer rhetorisch am Fellbach-Lied orientierten Vorstellungsrede kündigte er an, dem Publikum „reinen Wein“ einzuschenken. Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und die Sorge um die finanzielle Leistungskraft der Stadt nannte er als Fellbacher Problemzonen. Raisch beklagte, dass Familien und Kinder in der Politik keine Lobby hätten und brachte erneut den Berliner Musikkindergarten als Betreuungsmodell der Zukunft ins Gespräch. „Wir müssen in Menschen investieren, nicht in Straßen“, sagte er auf die Bemerkung eines Bürgers, dass Fellbacher Verkehrsachsen teilweise mehr Schlaglöcher hätten als Feldwege

Hans Mack hat auch kandidiert, weil er sich über einen Rathausmitarbeiter geärgert hat

Als erster Redner war nach ausgeloster Reihenfolge der Fellbacher Schreinermeister Hans Mack gebeten worden. Er begründete seine erneute Kandidatur auch mit dem Ärger über einen Rathausmitarbeiter, der ihn nach einem Vorfall an einem Zebrastreifen als Lügner hingestellt habe. Mack beklagte „engstirnige Industriepolitik“ und forderte mit Blick auf die Finanzlage ein von Vereinen gemeinsam getragenes Sportbad. „Nicht alles ist schlecht in Fellbach. Von den Krümeln vom Tische Stuttgarts lässt sich prima leben“, sagte er.

Werner-Peter Schifterowitsch hat sich entschuldigen lassen

Der fünfte Kandidat für die OB-Wahl am 18. September, Werner-Peter Schifterowitsch, hatte sich für die offizielle Bewerbervorstellung entschuldigen lassen. Dennoch zogen fast drei Stunden ins Land, bis Vorstellungsreden und die Fragen der Fellbacher Wähler abgearbeitet waren.