Am Donnerstag mussten Popfans sich entscheiden: The Wave Pictures im Merlin oder Fenster in der Dieselstraße? Wir sind nach Esslingen gefahren, um mal zu schauen, wie gut dort die neue Reihe für anspruchsvolle Popkonzerte ankommt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Esslingen - Es mag Popmusikfans gegeben haben, denen der Donnerstag das Herz zerrissen hat: im Merlin in Stuttgart waren die Wave Pictures angekündigt und im Kulturzentrum Dieselstraße die Band Fenster. Beides sind fantastische Popgruppen, die eine mehr Bluesrock und die andere mehr Psychedelic. Beide sind so etwas wie Kulturzentrumbands: Gruppen, die besonders gut zum Programm und Publikum von Einrichtungen wie dem Merlin oder der Dieselstraße passen und sich mit kommerziellen Musikclubs möglicherweise etwas schwerer täten als mit öffentlich geförderten Bühnen.

 

Warum eigentlich? Schließlich ist dem deutsch-französisch-amerikanischen Quartett Fenster alles vorzuwerfen, sicher aber nicht zu wenige Melodien. Wunderbare Melodien spielt diese Band, und zwar zu leicht verschrobenen Akkorden in Songstrukturen, die einem manchmal den Kopf verdrehen und dann doch immer wieder zum Anfang zurückkehren. Die Musiker sind Meister des nur scheinbar beendeten Songs, des Melodiösen-aber-doch-nicht-Konventionellen.

Es gibt da ein Konzept

Eigentlich sind sie eine Rockband: der Schlagzeuger Elias Hock dämpft den Klang seiner Trommeln, nur um zum Höhepunkt des Songs umso stärker draufzuhauen. Jonathan Jarzyna schreit bei genau einem Song, aber es ist eben der richtige. Die Bassistin JJ Weihl und der Gitarrist Lucas Chantre bringen dazu exakt so viel Cool auf die Bühne, dass man sich trotzdem noch wohl fühlen kann. Der Livevortrag gibt den im warmen Psychedelic-Sound aufgenommenen Stücken ihres aktuellen Albums "Emocean" (und denen vom neuen, für September angekündigten Longplayer) einen neuen Charakter: "Memories" zum Beispiel wird fast zu einer War-on-Drugs-Nummer und an einer Stelle hört man die Melodie vom The-Cure-Klassiker "Boys Don't Cry". Kurzum: eine bessere Unterhaltung ist an diesem Donnerstagabend in Esslingen nirgends geboten.

Man wird sicherlich noch mehrere solcher Dieselstraße-Abende erleben. Das Kulturzentrum hat sich mit Matze Fugel einen kundigen Booker geholt, der allerdings erst einmal bei den Agenturen Klinke putzen musste. Inzwischen ist die Reihe "In The Suburbs" angelaufen, mit der sich die Dieselstraße und der befreundete Kulturpalast auf der Pop-Landkarte etablieren wollen. Zeit ist's, denn die Versuche der vergangenen Jahre waren eher sporadisch beziehungsweise vom jeweiligen Bufdi abhängig. 

Weniger als die sechzig, siebzig Besucher beim Fenster-Donnerstagabend habe er nie gezählt, sagt Fugel. Das ist schon einmal ein guter Start. Der Booker weiß um die Konkurrenz, die man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen möchte: auch das Merlin, die Manufaktur in Schorndorf oder das Komma in Esslingen buchen gerne Bands, die nicht zwingend das Radiopublikum, dafür aber jene Gruppe Popenthusiasten ansprechen, die es in einer Pop-Region mehr als alle anderen braucht. Jetzt haben sie eben eine Anlaufstelle mehr - auch wenn daraus vielleicht etwas häufiger als bisher die Qual der Wahl folgt.

Die kommenden Dieselstraße-Konzerte stehen hier, mehr zum Pop in der Region Stuttgart gibt es bei kopfhoerer.fm - auch auf Facebook.