Ferien in Salem Ein Urlaubsdomizil bei den Rebleuten

Die Architektin Corinna Wagner-Sorg (links) und die Bauherrin Marina Ackermann vor dem Rebleutehaus Foto: Uli Lancé

Im ehemaligen Keltergebäude des Klosters Salem, wo einst die Mitarbeiter der Mönche logierten, können heute Touristen nächtigen. Doch weil die Gemeinde etwas gegen die Wohnungsnot tun wollte, wäre die Sanierung fast gescheitert.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Sipplingen - Die Wand schmückt eine verblichene Blümchentapete, auf dem Boden liegt Linoleum in braun-gelber Kacheloptik. Als die Ackermanns zum ersten Mal ihr Traumhaus besichtigen, macht es einen ziemlich muffigen Eindruck. Als „denkmalgeschütztes Objekt mit vielen Ausbaumöglichkeiten“ ist es im Inserat angepriesen worden. Um diese Möglichkeiten auch zu erkennen, braucht es aber schon eine gewisse Fantasie. Doch die Ackermanns sind sich sofort sicher. „Wir wussten, dass das schön wird“, sagt Marina Ackermann heute.

 

Das Rebleutehaus des Klosters Salem steht in Sipplingen. Vorne hat es Seeblick, hinten führt der Fußweg hinauf zum Haldenhof. 1595 ist das breit gelagerte Gebäude mit seinem hoch aufragenden Walmdach mitten in den Weinbergen erbaut worden, die von hier bis in den Raum Friedrichshafen reichen. Die Mönche – mehr als 300 waren es nie – beackerten die Rebflächen nicht selbst. Für ihre Mitarbeiter benötigten sie eine Unterkunft.

Lampen hängen am Heuaufzug

Die 53-jährige Hausherrin empfängt im Wohnzimmer, das im Dach einer später angebauten Scheune untergebracht ist. Dort stehen schwere Ledersofas, die die Familie aus ihrer früheren Heimat Südafrika mitgebracht hat. Es könnte heller sein. Doch zum einen sind zum Schutz vor der Hitze an diesem Tag die Rollläden heruntergelassen. Zum anderen sind die Fensterflächen tatsächlich etwas rarer als üblich. Neue Gauben durften nicht gebaut werden. Die wenigen neuen Dachfenster wurden zwischen den Ziegeln versteckt. Weder vom See noch vom Berg her durfte das Erscheinungsbild verändert werden.

Eine schmiedeeiserne Wendeltreppe führt ein Stockwerk weiter hinauf, wo das Dachgeschoss des Haupthauses beginnt und sich in einer Art Galerie die große Wohnküche anschließt. Es geht weiter in das Schlafzimmer, das Bad und in die Zimmer der beiden Kinder. An der Decke ist der alte Heuaufzug. An ihm hat Marina Ackermann die Lampen aufgehängt.

Anderthalb Jahre hat der Umbau gedauert und er ist nach Ansicht der Juroren der Denkmalstiftung Baden-Württemberg sehr gelungen. Für die „gestalterisch wie handwerklich vorbildliche Sanierung“ gab es den Landesdenkmalpreis. „Frau und Herr Ackermann waren die idealen Denkmalbauherren. Für Anregungen offen, flexibel und immer darauf bedacht, dem Haus gerecht zu werden“, sagt die Überlinger Architektin Corinna Wagner-Sorg, die die Pläne ausarbeitete. Wobei: vieles lasse sich beim Denkmalschutz gar nicht planen. „Wir reagieren auf das, was da ist“, sagt sie.

Im Rebleutehaus war das eine ganze Menge. Hinter den alten Tapeten kamen das Fachwerk und der einstige Kalkputz mit einer bunt abgesetzten Fassung zum Vorschein. Die einst bedeutendste und reichste Abtei am Bodensee hatte sich beim Bau der Unterkunft für ihre Arbeiter nicht lumpen lassen. Glatte Wände sind das nicht, an vielen Stellen gibt es Abplatzungen und Risse. Aber doch ist der Anblick zu schön, als dass man ihn übertünchen oder mit Bildern zuhängen würde. Etwas aufzuhängen ist ohnehin nicht leicht. Genau genommen versetzt jeder Nagel, der in eine solche Wand gehämmert wird, der Denkmalbehörde einen Stich. Deshalb wurden die Versorgungsleitungen wie Strom, Wasser und Heizung an den meisten Stellen in dünnen Metallröhren auf Putz verlegt.

Unterputzleitungen sind verpönt

Ein kleines Tierchen gefährdet die Sanierung

Die obligatorische Dämmung war an solchen Wänden nicht zu realisieren. „Es war klar, dass wir die Wohnräume deshalb nur im Dach unterbringen können“, sagt Wagner-Sorg. In den unteren Stockwerken, wo einst die Rebleute logierten, ließen die Ackermanns deshalb Ferienappartements einrichten. Weil sie nicht das ganze Jahr bewohnt sind, lässt die Wärmeschutzverordnung hier Ausnahmen zu. Fast wäre diese Lösung aber gescheitert, denn eigentlich hatte der Sipplinger Gemeinderat die Ausweisung neuer Ferienwohnungen unterbinden wollen. Ackermanns Gesuch kam gerade noch rechtzeitig vor einer neuen Satzung. Sonst wäre die 1,5 Millionen Euro teure Sanierung nicht zu finanzieren gewesen.

Auch der Naturschutz hätte die Rettung des Hauses um ein Haar verhindert. Der Artenschutzbeauftragte stieß im Dachgeschoss auf den alten Kot einer seltenen Fledermausart. Wäre er neueren Datums gewesen, hätte dies den Baustopp bedeutet. Zur Sicherheit hängten die Ackermanns ein Fledermaushotel an die Hauswand. Tatsächlich ist ein Exemplar eingezogen – allerdings nicht dort, sondern in der ehemaligen Scheune. Dass sie mittlerweile als Garage dient, scheint das Tierchen nicht zu stören.

Preis und Preisträger

Denkmalschutzpreis
Zum 35. Mal haben der Schwäbische Heimatbund und der Landesverein Badische Heimat in diesem Jahr den Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg vergeben. Er wurde 1978 als Peter-Haag-Preis gestiftet und ist mit insgesamt 25 000 Euro dotiert, jeder Preisträger erhält 5000 Euro. Die Preissumme stellt die Ludwigsburger Wüstenrot-Stiftung zur Verfügung. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre vergeben. Gewürdigt werden denkmalgerecht sanierte Gebäude, die privaten Eigentümern gehören.

Preisträger
Auserkoren wurden dieses Mal neben dem ehemaligen Backhaus in Forchtenberg (Hohenlohekreis) ein Wohn- und Geschäftshaus in Ulm, dessen Ursprünge im Mittelalter liegen, ein spektakulärer Terrassenbau der Uhrenfabrik Junghans in Schramberg (Kreis Rottweil) von 1916, das rund 400 Jahre alte Rebleutehaus des Klosters Salem in Sipplingen (Bodenseekreis) und ein Handwerkerhaus aus dem späten 18. Jahrhundert in Stuttgart.

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